Zwischen Kunst und Propaganda

Design. Eine Ausstellung im Designforum Wien zeigt, wie seit 1848 Produkte und Ideologien verkauft werden. Zwischen Pop-Art und „psychotechnischen“ Methoden.

Wien.Jede Zeit hat ihr Medium. Und ihre eigene Art der Werbung. Wie sich die Werbestrategien von der bürgerlichen Revolution 1848 bis ins Fernsehzeitalter entwickelt haben, zeigt ab 26.April die Ausstellung „Verführungskünste – Eine Geschichte der Werbung“ im Designforum des Museumsquartiers.

Werbung prägt das Gesicht einer Stadt, vor allem seit dem Ende des staatlichen Inseratenmonopols und des Zunftwesens der Handwerker durch die bürgerliche Revolution von 1848. Die Werbeindustrie erreichte ihren ersten Höhepunkt: Es gab erstmals gezielte Werbekampagnen, neue Werbeträger (Emailschilder, Sammelbilder, Aufsteller, Fassadenreklame, Warenkataloge) etablierten sich.

Das Gros der im Designforum gezeigten Exponate hat einen starken Tirol-Bezug. „Das ist ein Platz für angewandte Alltagskultur, und die findet schließlich nicht nur in Wien statt“, so Design-Austria-Geschäftsführer Severin Filek.

Kunst „unter's Volk“ bringen

Ab 1900 wurden durch den Konsum nicht mehr nur Bedürfnisse befriedigt, sondern die gesellschaftliche Stellung ausgedrückt: Der Markenartikel wurde geboren. Um sich aus der Masse hervorzuheben, musste er eine einprägsame Nachricht vermitteln, beschreibt Kuratorin Claudia Sporer-Heis.

Die Folge: Auf den Plakaten haben Bilder die Texte verdrängt, Produktverpackung und die Gestaltung der nun großen Schaufenster wurden immer wichtiger. Unter den Gestaltern der Werbeplakate waren auch Jugendstilkünstler wie Joseph Binder – der Schöpfer des „Meinl-Mohren“ –, die es sich zur Aufgabe machten, „Kunst unter's Volk“ zu bringen. Sie waren es auch, die die Werbung – zumindest vorübergehend – aus der „Schmuddelecke“ holten und ihr den Ruf einer unseriösen und ruchbaren Branche nahmen.

So nah wie zu dieser Zeit kamen sich Kunst und Werbung nur noch einmal: In den 1960ern wurden Motive aus der Pop-Art in Printanzeigen übernommen. Diese Kunstrichtung nutzte wiederum Werbung und Massenmarkt als Motiv, wie Sylvia Meffert in ihrem Buch „Werbung und Kunst“ schildert.

Während des Ersten Weltkrieges nutzte der Staat Werbung fast ausschließlich im Sinne von Propaganda, dabei wurde er von namhaften Literaten und Werbegrafikern unterstützt. Wirtschaftswerbung kam nur noch in Verbindung mit dem Krieg vor, so Sporer-Heis.

Zwischenkriegszeit: Inflation, Produktionsengpässe, Arbeitslosigkeit. Die Situation war trist, brachte aber einen Boom der Werbeindustrie. Werbung wurde wissenschaftlich erforscht, viele Unternehmen richteten eine „psychotechnische“ Abteilung ein. Werbegrafik wurde flächiger und plakativer, Beschreibungen wurden reduziert.

„Ich hab' sie wieder“

Unter den Nationalsozialisten verschwand Produktwerbung sukzessive vom Markt und wurde von Reklame für Ersatzmittel abgelöst, Kampagnen warben um Spenden für die „Hilfwerke“ der NSDAP.

Die 1950er: das Ende der Entbehrungen. „Ich hab' sie wieder“, wurde geworben. In den 1970ern eroberte die Werbung das Alltagsleben. Nicht nur das Fernsehen brachte die Werbebotschaften direkt ins Wohnzimmer. Auf nahezu jedem Gegenstand – vom Aschenbecher bis zum Zuckerbeutel und Sportdress – prangen Werbesujets.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2007)

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