Nachruf: Jörg Immendorff - Unbequemer linker Freund

Nachruf. Jörg Immendorff, Künstler aus der Nachkriegsgeneration der Malerfürsten", verstarb 61-jährig nach langem Leiden an einer Nervenkrankheit.

Seinen „LIDL-Block“, schwarz-rot-gold gestreift und an den Fuß gebunden, schleifte er Ende der Sechzigerjahre durchs Bonner Regierungsviertel. Spätdadaistisch war ihm „LIDL“ die Lautmalerei einer Kinderrassel, appellierend zog der KPD-Anhänger und Maoist Jörg Immendorff von damals durch die deutsche Hauptstadt von damals. Zurück in der jüngsten Vergangenheit: „Ich bin ein politischer Künstler. Aber ich stehe nicht für eine Partei. Für mich ist wichtig, ob ich einer Partei zutrauen kann, dass sie etwas für die Zukunft, das heißt konkret: die Zukunft meiner Tochter, tut“, schrieb er 2005 in seinem „persönlichen Rückblick“ (veröffentlicht in der deutschen „Welt“) auf das vorletzte Jahr, sein vorletztes Jahr.

Folglich ist seine bedeutendste Arbeit der expressive, von großen Menschenfiguren dominierte Bilderzyklus „Cafe Deutschland“, den er im Jahre 1978 begonnen hatte. In grellen Farben erscheinen persönliche Visionen der Wiedervereinigung Deutschlands. Sie mit ihren Folgen war und blieb Immendorffs zentrales Thema.

Geboren 1945 in Bleckede in Niedersachsen, wurde Immendorff in den Sechzigerjahren Student bei Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf. Der junge Künstler engagierte sich politisch und nannte ein Bild ironisch „Hört auf zu malen!“. Kurz darauf wurde er (nach etlichen dadaistischen Aktionen) der Akademie verwiesen. Mitte der Siebziger zählte Immendorff – gemeinsam mit dem Dresdener Dissidenten und Maler A.R. Penck sowie Markus Lüpertz – zu den „Jungen Wilden“ und gehörte weiter zum Beuys-Kreis.

Erste Retrospektive erst 1996

1997 wurde Immendorff für sein Werk „Accumulation 2“ (1996) mit dem mit 250.000 US-Dollar weltweit höchst dotierten Kunstpreis ausgezeichnet. Der gefragte Künstler zeigte sich gern als schillernder Partylöwe – an der Seite seiner um 30 Jahre jüngeren Frau Oda Jaune (die 2001 die gemeinsame Tochter Ida zur Welt brachte) gehörte er zu den bekanntesten Malern im Lande. An der Akademie in Düsseldorf war er seit 1996 (dem Jahr seiner ersten großen Retrospektive im Kunstmuseum Wolfsburg) bis zu seiner Beurlaubung schließlich selbst Professor.

Diese Beurlaubung löste ein Drogen-Skandal aus: 2003 hatte die Polizei Immendorff bei einer Razzia in Wohnung, Atelier und Hotelsuiten mit Kokain und Prostituierten vorgefunden – der Künstler war geständig, er habe seit Jahren Kokain zur Beruhigung seiner von der Nervenkrankheit ausgelösten Angstattacken konsumiert. Seit 1998 litt er an ALS (Amyotrophe Lateralsklerose).

Immendorff schuf Bühnenbilder für die Salzburger Festspiele, porträtierte den deutschen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Mit ihm hatte der Künstler vor knapp zwei Monaten auch seinen letzten öffentlichen Auftritt – er überreichte Schröder das goldene Porträt. Die Triebkräfte für das Bild seien „Respekt und Freundschaft gewesen: Für den Kanzler, der das Eingreifen der Bundesrepublik im Irak verhindert hat“, sagte Immendorff. Der nahm ihn wiederum gerne als kulturpolitisches Aushängeschild mit auf Auslandsreisen. Als Immendorffs Werkschau in Berlin 2005 eröffnet wurde, bezeichnete Schröder Immendorff als „unbequemen Freund“. In seinen letzten Arbeiten tendierte der Maler zum Surrealismus. Kleine Figuren dominieren die verrätselten Malereien. Sein Maleraffen-Motiv, ein Schimpanse mit Pinsel, ironisierte das eigene Künstlergewerbe.

Erst lähmte die Krankheit seinen linken „Malerarm“ (Studenten führten Bilder nach seinen Anweisungen aus), nach langem Leiden führte sie schließlich zum Herzstillstand: Jörg Immendorff verstarb am Montag. Noch kurz vor seinem Tod habe er betont, dass er nicht wiederbelebt werden möchte, wie sein Arzt sagte. Der Künstler hatte in den vergangenen Monaten weder Arme noch Beine bewegen, aber noch normal sprechen können. trick/dpa

ZUM WERK.

„Ich bin ein politischer Künstler“, legte Jörg Immendorff sich fest. Sein letztes großes Werk war das Porträt des deutschen Ex-Kanzlers Gerhard Schröder für die Ahnengalerie.

Immendorff gehörte der Generation der deutschen Malerfürsten an, wie auch Georg Baselitz, Anselm Kiefer, A.R. Penck an.

In Österreich halten etwa die Sammlungen Essl und Mumok Werke Immendorffs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2007)

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