Kritik Kammeroper: Das rechte italienische Flair

(c) AP (Lilli Strauss)
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"I due timidi" von Nino Rota bereiten unbeschwertes Sommervergnügen.

Sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser (die Schüchternheit) war viel zu tief: Raimondo umschwärmt ein Jahr lang Klavierspielerin Mariuccia, mietet sich in der gegenüberliegenden Pension ein; auch sie verzehrt sich in Sehnsucht. Aber beide finden die erlösenden Worte, verwirrt und halb ohnmächtig, erst in den Armen anderer; er bei der Pensionswirtin Signora Guidotti, sie beim Arzt Sinisgalli. Zu spät, den Irrtum aufzuklären, schon sind sie mit den jeweils Falschen verheiratet und haben Kinder...

Innerhalb einer knappen Stunde handeln Nino Rota und sein Librettist Suso Cecchi d'Amico diese tragikomische Geschichte in ihrer Commedia lirica ab. Sie entstand 1950 als Funkoper für die RAI, zu einer Zeit, als Rotas Ruhm als genialer Filmkomponist noch vor ihm lag: beginnend mit „Filomena Marturano“ (De Filippo, 1951), fortgesetzt ab 1952 mit den großen Fellini-Filmen wie „La strada“, „La dolce vita“, „8 1/2“, „Amarcord“, „Casanova“, nicht zu reden von der Zusammenarbeit mit Visconti und Zefirelli.

Dieser Ruhm hat seine acht Opern, vier Ballette, drei Symphonien und manch anderes in den Hintergrund gedrängt. Zu Unrecht: Gerade in unserer Zeit, da man sich für den Reichtum des 20.Jahrhunderts an tonaler Musik nicht mehr zu schämen braucht, darf man getrost die Kunst eines Nino Rota genießen. Auch dann, wenn er, wie in den „Beiden Schüchternen“, ungeniert auf den Spuren eines Giacomo Puccini wandelt, den Sängern effektvolle, applaus-treibende Arien auf den Leib schreibt, das Orchester zuweilen dramatisch aufrauschen lässt; wenn er in guter neoveristischer Tradition instrumentale Zwischenspiele einschiebt oder die drei Dienstmädchen folkloristische Einsprengsel singen lässt.

Erstaunlich geräumige „Schuhschachtel“

Gregor Sturm hat der „Schuhschachtel“ am Fleischmarkt den größten Bühnenraum abgetrotzt, der dort je zu sehen war: Vorgezogenes Podium, abgedeckter Orchesterraum, eine hoch hinaufführende Treppe, die sich andeutungsweise noch auf der Hinterbühne fortsetzt. Zuweilen schiebt sich in kühner Konstruktion das Zimmer der Mariuccia über die Bühne; das alles atmet, gemeinsam mit den exakt gewählten Kostümen von Maxi Tschunko, das rechte italienische Flair.

Die armenische Sopranistin Lusine Azaryan und der koreanische Tenor Phill Suh singen ein „Tosca“-reifes Liebespaar mit kraftvollen Höhen, mag sein, mit reduzierter Pianokultur. Gut gewählt auch die Übrigen: Stefanie Kopinits (Signora Guidotti) erntet Szenenapplaus. Als Erzähler führt Dmitry Ovchinnikov mit profundem Bass durch das Geschehen, ins Charakterfach tendiert der Tenor von Camillo dell'Antonio (Dottore), einen satten Alt lässt Karin Goltz als Mutter hören. Daniel Hoyem-Cavazza am Pult hält alles fest in der Hand und entlockt dem Orchester südländische Leidenschaft wie zuweilen nötige Lockerheit.

Nicht ungeschickt hat Regisseur Paul Flieder das musikalische Hörspiel auf die Bühne verpflanzt. Im (nicht gerade zwingend) hinzuerfundenen, „tonlosen“ Vorspiel amüsiert immerhin Artan Lika als Portier mit unstillbarer italienischer Suada; die handlungslosen Zwischenspiele füllt Flieder mit bedeutungsvollem Steh- und Schreittheater. Sonst konnte man mit Führung und Charakterisierung der Personen zufrieden sein; besonders köstlich der verklemmte Anbeter Raimondo. Fazit: unbeschwertes Sommervergnügen. Nur auf einen zweiten Teil des kurzen Abends wartete man vergeblich...

Termine: 5., 9., 14., 16., 21., 23.6. sowie im Rahmen des Wiener Opernsommers.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2007)

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