George Bush auf Werbetour in Prag

(c) AP (Gerald Herbert)
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Der US-Präsident macht den Tschechen das in ihrem Land geplante Raketen-abwehrsystem schmackhaft. Dafür bietet er an: Erleichterungen bei der Einreise in die USA.

PRAG. Nicht wenige Prager erinnern sich noch an den Besuch von George Bush senior 1990 in ihrer Stadt. Ein Jahr nach der „Samtrevolution“, die die Wende in der damaligen Tschechoslowakei einleitete, war der Wenzelsplatz schwarz von Menschen. Hunderttausend jubelten dem amerikanischen Präsidenten zu, der seine Bewunderung für den Freiheitswillen von Tschechen und Slowaken zum Ausdruck brachte.

George W. Bush, der heutige US-Präsident, hatte gestern, Dienstag, an der Moldau ebenfalls ein Heimspiel – aber nur bei den Politikern des Gastgeberlandes. Die „normalen“ Tschechen bekamen Bush nämlich nicht zu Gesicht. Seine Fahrzeugkolonne raste durch gespenstisch menschenleere Straßen. Weite Teile der Moldaustadt lagen lahm, sehr zum Verdruss der Bewohner. Die Geheimniskrämerei und die Sicherheitsvorkehrungen gingen so weit, dass beispielsweise niemand erfuhr, wo der „mächtigste Mann der Welt“ in der Nacht von Montag auf Dienstag sein Haupt gebettet hatte.

„Verlässliche Verbündete“

Vielleicht sehen die Tschechen aber Bush nach dem gestrigen Tag nicht mehr ganz so streng. Der Präsident ging nämlich in einem für sie sehr wichtigen Punkt auf sie zu: Er machte sich dafür stark, dass die Tschechen für Besuche in den USA bald schon kein Visum mehr benötigen. Er wolle entsprechend auf den US-Kongress einwirken, versprach Bush. Die Tschechen hätten sich das verdient, auch weil sie sich im Irak und in Afghanistan mit ihren Einheiten als verlässliche Verbündete zeigten.

All das klang ein bisschen nach einem „Handel“, den viele Tschechen auch kritisieren – besonders im Hinblick auf das Engagement der tschechischen Regierenden für den US-Raketenschutzschild. Für den soll in Tschechien eine Radarstation entstehen. Das Projekt ist nicht eben beliebt: Etwa 60 Prozent der Tschechen lehnen es ab, wenngleich die Kritik nun etwas bröckelt.

„Der Kalte Krieg ist vorbei“

Präsident Václav Klaus machte Bush auf die ambivalente Haltung der Tschechen zu der Radarstation aufmerksam, versprach aber, alles zu tun, um in der Bevölkerung „maximale Zustimmung“ für das umstrittene Projekt zu bekommen. „Wir verstehen uns in dieser Sache“, meinte der Präsident. Bush selbst kündigte nach seiner Unterredung mit Klaus und Prags Premier Mirek Topolánek für den G8-Gipfel im deutschen Heiligendamm Gespräche mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin über die geplante Raketenabwehr an. Es handle sich um „ein rein defensives System, das sich nicht gegen Russland richtet“, sondern gegen sogenannte Schurkenstaaten. „Der Kalte Krieg ist vorbei, Russland ist kein Feind“, sagte Bush auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in der Prager Burg, bei der keine Journalisten-Fragen erlaubt waren.

„Der Feind einer freien Gesellschaft, wie die unsere ist, sind die radikalen und extremistischen Schurkenstaaten, die im Namen ihrer Ideologien versuchen, andere Staaten zu erpressen“, betonte der Chef des Weißen Hauses weiter. Bush lud Putin nachdrücklich dazu ein, sich an dem Projekt aktiv zu beteiligen. „Wir wollen positive Beziehungen haben, um den Gefahren gemeinsam zu begegnen“, so Bush. Zudem seien die USA bereit, ihre Pläne vor russischen Generälen und Wissenschaftlern offenzulegen.

Putin hat bisher alle Angebote Washingtons zur Kooperation bei dem Projekt abgelehnt. Er kritisierte die Pläne für eine Radaranlage in Tschechien und Abfangraketen in Polen scharf, weil sie aus russischer Sicht das Wettrüsten anheizten.

Bush sprach in Prag auch mit dem sozialdemokratischen Oppositionsführer Jirí Paroubek, der dem Radarprojekt skeptisch gegenüber steht. Vor seinem Abflug nach Heiligendamm hielt er zudem eine Rede auf einer Konferenz über Demokratie und Sicherheit und traf bei dieser Gelegenheit auch den früheren Präsidenten Václav Havel.

Proteste blieben friedlich

Auch in Prag wurde demonstriert. Doch anders als in Deutschland verliefen die Proteste in der Stadt an der Moldau friedlich. Mit höchstens 2000 Teilnehmern blieben die Anti-Bush-Kundgebungen außerdem ohne größeren Zulauf. Eine Handvoll Greenpeace-Aktivisten war in Schlauchbooten über die Moldau gefahren.

LEXIKON

Die USA wollen schon im kommenden Jahr mit dem Aufbau einer Raketenabwehr in Osteuropa beginnen. In den Bergen südwestlich von Prag sind Radareinrichtungen geplant, die für einen Abschuss fremder Raketen notwendige Daten liefern sollen. In Polen sollen zehn Abfangraketen stationiert werden.

Das Vorhaben ist Teil des US-Raketenabwehrsystems (NMD), das auf landgestützte Abwehr setzt. Verfolgt und vernichtet sollen Raketen etwa aus dem Iran werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2007)

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