Hot Fuzz: Ein Pyrrhussieg der Postmoderne

(c) AP (Matt Nettheim)
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Neu im Kino. Der Film holt Hollywoods Action-Exzess in Englands ruhige Provinz: Aberwitz, überlang. Ab Freitag.

Ein Polizist, der viermal so effektiv ist wie seine Kollegen, ist schlicht untragbar: Der Erfolg von Nicholas Angel (Simon Pegg) lässt das ganze Londoner Dezernat schlecht aussehen, also wird er kurzerhand versetzt. Im idyllischen Landstädtchen Sandford führt Angels Übereifer allenfalls zum Arrest minderjähriger Alkoholtrinker im Pub. Kein Wunder, dass sein dicklicher neuer Provinz-Partner (Nick Frost) mehr von Hollywood-Actionfilmen als für die Wirklichkeit lebt: Gefährliche Brandung und Bad Boys II sind seine Welt.

Nicht nur seine: Ein eingespieltes englisches Erfolgs-Team um Regisseur Edgar Wright und seinen regelmäßigen Co-Autor sowie Hauptdarsteller Pegg liefert mit Hot Fuzz die britische Hochglanz-Version jener postmodernen Komödienform, die längst die Welt eroberte. „Die Simpsons“ machten es vor, andere animierte TV-Serien wie „South Park“ oder „Family Guy“ perfektionierten auf ihre Weise die Methode: Konventionen und typische Situationen populärer Genres werden augenzwinkernd entzaubert – weniger durch tatsächliche Parodie als durch ironisch-liebevolle Nachahmung.

Wright und Pegg sind eine Art britischer Realfilm-Nachzügler: Daheim bekannt wurden sie ab 1999 mit der TV-Sitcom „Spaced“ um Twens, die sich lieber in Popkultur-Referenzen zurückziehen als sich dem Erwachsenwerden zu stellen. Mit der Kino-Komödie Shaun of the Dead folgte 2004 ein weltweiter Kulthit: Der Held der Zombie-Satire war zwischen Pub und Play-Station schon so abgestumpft, dass er lange gar nicht merkte, dass Untote London übernahmen.

Das biedere Briten-Provinzidyll sprengen!

Der Ansatz zu Medien- und Zivilisationskritik im selbstironischen Umgang mit der reizüberfluteten Wirklichkeit unterscheidet die Comedy von Wright/Pegg oder eben der Satire-Serie „South Park“ von der bloßen Zitat-Parade, zu der viel postmodernes Entertainment verkam: Deren Bannerträger im Animationsfilm hebt bald wieder sein belangloses grünes Haupt – Shrek der Dritte.

Solch substanzlosen Scherzartikeln wie auch den Nullnummernrevuender Parodie-Filmreihen à la Epic Movie ist die kenntnisreiche Komödie von Wright/Pegg weit voraus – und ihre Motivation nur zu verständlich: Sie wollen das biedere Briten-Provinzidyll, in Filmen wie Calendar Girls auch ein erzkonservatives Exportgut, buchstäblich sprengen. Frosts filmträumender, Bub bleibender Land-Cop, der den Partner aus der Stadt („where danger is around every corner“) ständig mit Fragen über abenteuerliche Einsätze nervt, erzählt vom globalen Gegenbild der Traumfabrik, deren Action-Versprechungen für Adoleszente so fern von der eigenen Welt scheinen. Natürlich repräsentiert Wrights Heimatort Wells, Somerset die erstickende „Modellstadt“ Sandford.

Der Witz von Hot Fuzz ist zunächst, wie sich die mit Understatement servierte Satire aufs unerträglich ruhige Kleinstadtleben am überkandidelten Inszenierungsstil des aktuellen Actionkinos reibt: Wright holt dabei wieder Humor aus Alltäglichem, indem er es zu hollernden Höhepunkt-Montagen verdichtet. Heiterer als diese Schnörkel und die vielen Film-Anspielungen ist die Detailfreude beim Ausmalen enger, englischer Eintönigkeit und totalitären Traditionszwangs in der Provinz: Zu Angels erstem Spaziergang erklingt selbstverständlich „Village Green Preservation Society“ von den Kinks. Bekannte britische Gesichter legen einen Hauch Heimtücke in ihre amüsierten Auftritte: Jim Boradbent, Paffy Considine, Ex-Bond Timothy Dalton brilliert als verdächtiger, aalglatter Supermarktbesitzer.

Schlauester Witz: Politisch korrekter Held

Aber wenn es dann kracht, kracht es auch im Gebälk der Genre-Dekonstruktion: Die letzte halbe Stunde macht Ernst mit Explosionen und Schnittgewitter wie in typischen Bruckheimer-Blockbustern, dessen Produktion Bad Boys II wird zwar nebenbei ausgerechnet mit „shit just got real“ ironisch zitiert, aber das folgerichtige Übermaß einschlägiger Exzesse ruiniert ihr parodistisches Potenzial. Das postmoderne Prinzip beißt sich konsequent in den Schwanz.

Die schlaueste Idee von Hot Fuzz versinkt da mit im ideologischen Matsch. Genau mit Bad Boys II, wo zuletzt in Guantánamo fröhlich gemetzelt wurde, schien die letzte Steigerungsstufe gegenwärtiger Großproduktions-Action erreicht: als maßlose Feier der eigenen politischen Unkorrektheit. Der Held von Hot Fuzz ist aber ganz politisch korrekt, Peggs Pokerface am komischsten, wenn sein pedantischer Polizist Details korrigiert. Wenn er zuletzt mit Rock'n'Roll-Ruf wahllose Waffengewalt durchsetzt, ist das in jeder Hinsicht: ein Pyrrhussieg.

VERSTECKT: Zitate, Gäste

138 Filme wollen Edgar Wright und Simon Pegg für „Hot Fuzz“ gesichtet und mehr oder minder kenntlich zitiert haben: Klassiker wie „Chinatown“ ebenso wie ihren vorigen Film „Shaun of the Dead“. Eindeutig unkenntlich sind zwei Gaststars: Peter Jackson als ein Weihnachtsmann, Cate Blanchett als Peggs Freundin hinter einer Gesichtsmaske.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2007)

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