Boxen: Die totale Hingabe: Klitschko in Klausur am Wilden Kaiser

Im Rematch gegen Lamon Brewster am 7. Juli will er das k.o. rächen.

GOING. Jeans, T-Shirts, Laptop, Handy, das aber permanent ausgeschaltet bleibt und dessen Geheimnummer ohnehin keine fünf Leute kennen: Mehr Privates hat Wladimir Klitschko (31) nicht mitgebracht in die mondäne Wohlfühl-Welt des Stanglwirt in Going am Fuße des Wilden Kaisers. Nur keine Ablenkung. Sein Equipment für den sechswöchigen Aufenthalt in einem abseits gelegenen Bungalow der Luxus-Herberge sind 18-Unzen-Boxhandschuhe, Kopf- und Tiefschutz, Bandagen und was sonst zur Ausrüstung für die schweißtreibende Arbeit eines Champions gehört. Nur die Badehose fürs Schwimmen in einem Gebirgssee hat der Boxer mit den Urlaubern gemein.

In diesem Tiroler Erholungsparadies wurde einer der drei Plätze in der Tennishalle in ein Boxgym umfunktioniert. Hier trainiert der Schwergewichtsweltmeister täglich fünf Stunden, zwei morgens, drei nachmittags, mit einer Intensität, einem Fokus wie noch vor keinem seiner 51 Kämpfe. „Es ist keine Quälerei. Es macht Spaß“, sagt der jüngere Klitschko. Sein Trainer Emanuel Steward aber macht sich Sorgen: „Wladimir ist schon so gut drauf, dass ich ihn bremsen muss. Der Kampf ist erst in zweieinhalb Wochen.“

„The Rematch“ gegen Lamon Brewster am 7. Juli in der Kölnarena gebietet volle Konzentration. Der ukrainischen Kosmopolit will einen der beiden Schandflecke seines Sportlerlebens ausradieren, den Kollaps von Las Vegas. Das mysteriöse k.o. erlitt Klitschko am 10. April 2004 im Mandalay Bay. Der Adonis erstarrte in völliger Agonie nach einem linken Haken Brewsters, lag bäuchlings auf dem Ringboden, unfähig, in der Rundenpause von einer Minute aufzustehen, so verzweifelt der große Bruder Witali und Steward auch in der Ecke schrieen: „Get up!“ Aberwitzig: Technisches k.o. in der Kampfpause.

Mit dem Rückkampf erfülle sich ein Traum, sagt Wladimir Klitschko. Morgens übt er in stiller Zweisamkeit mit Steward Bewegungsabläufe und Schlagtechnik. Vor und nach dem Sparring dehnt, dreht und streckt er, ganz der promovierte Sportwissenschaftler, angeleitet von Physiotherapeut Steve Atcavage jede Sehne, jeden Muskel, jedes Gelenk seines herkulischen Körpers.

Acht Runden Sparring mit drei Amerikanern, erst mit dem Routinier Andre Purlette (39 Siege, 2 Niederlagen), dann mit den unbesiegten Chazz Witherspoon (18:0) und Jonathan Babks (16:0), sind die Hauptarbeit. Die Strategie ist klar erkennbar: Ungewohnt beweglich mit dem Oberkörper, schnell auf den Beinen kontrolliert der Champion seine zur Aggressivität angehaltenen Partner.

Seine Waffe: Linker Haken, rechter Cross

Gleichzeitig laufen auf Monitoren über jeder Ringseite nacheinander zwei Kämpfe Brewsters. Einmal, wie er Luan Krasniqi mit seiner besten Waffe, dem linken Haken, zu Boden schmettert und durch dessen Aufgabe gewinnt. Dann, wie der Amerikaner auch Sergei Liakowitsch niederschlägt, aber dennoch, sehbehindert, nach Punkten und den WBO-Titel verliert. Das war vor einem Jahr.

Aus der Defensive und mit Distanz beherrscht er seine Partner, erstickt durch Klammern deren Aktionen, wenn sie ihm zu nahe kommen. Klitschko legt wie automatisiert die rechte Faust vor die rechte Wange – der Schutz gegen Brewsters gefährlichen linken Haken –, wenn er den linken Jab ausfährt. „That's it“, entfährt es Steward. „Beautiful“, begeistert sich der Trainer, wenn Klitschko mit der Paradekombination, linker Haken, rechter Cross, blitzschnell zuschlägt und trifft. Immer mehr ist es Steward gelungen, den Stil seines Champion-Schülers Lennox Lewis auf dessen legitimen Nachfolger zu übertragen. „Wladimir schlägt als einziger all seine Gegner k.o. Das unterscheidet ihn von allen Schwergewichtlern, die zur Zeit herumlaufen.“ Die Vorstellung war überzeugend. Lächelnd entgegnet Wladimir Klitschko den positiven Eindrücken: „Das ist nur Sparring. Der Kampf ist etwas ganz anderes.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2007)

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