„Keine Weltmacht ohne Militärmacht“

(c) APA (Barbara Gindl)
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Das pubertierende Europa auf der Suche nach seiner Rolle auf der Weltbühne.

WIEN. Auch wenn sich die EU oft und gerne kleinredet, sie ist mit ihren 492 Millionen Einwohnern die größte Wirtschaftsmacht der Welt, größer als die USA und größer als China. Erstmals seit Jahren der Stagnation wächst der europäische Wirtschaftsraum nun sogar stärker als der amerikanische.

Auch geografisch legt die Union zu, zwölf neue Mitgliedstaaten hat sie seit 2004 aufgenommen. Das europäische Friedens- und Demokratieprojekt expandiert, vielleicht bald auch in Richtung Balkan und der Türkei. Doch immer noch ist die EU wie ein Pubertierender auf der Suche: vor allem nach seiner globalen Rolle. Genau um dieses Thema werden die heurigen Politischen Gespräche in Alpbach (26. bis 29.8.2007) kreisen.

Den Auftakt am Sonntag geben eine überzeugte Verfechterin der europäischen Integration, Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik, und ein Politologe aus Oxford, dessen Argumente auch Euroskeptikern Lustgewinn bereiten: Jan Zielonka. Der gebürtige Pole vertrat zuletzt in seinem Buch „Europe as Empire“ die Ansicht, dass Europas Bemühungen um Vereinheitlichung und Zentralisierung im Grunde fehlgeleitet seien. Er zieht den Vergleich zu mittelalterlichen Reichen: Die EU habe ein schwaches Machtzentrum und franse an den Grenzen aus. Und das, so Zielonka, sei gut so. Denn die Stärke des europäischen Modells liege in der Vielfalt.

Doch kann ein heterogenes Europa, das nicht mit einer Stimme spricht, jemals gehört werden in der Welt? Erst einmal müsse Europa seine Verfassung unter Dach und Fach bringen, sagt Erhard Busek, Präsident des Europäischen Forums Alpbach, im „Presse“-Gespräch. Im dem Vertrag ist unter anderem vorgesehen, dass künftig ein Vizekommissionspräsident die EU-Ratssitzungen der Außenminister leiten und die EU nach außen hin vertreten soll. EU-Außenminister darf die Person freilich nicht genannt werden. Dagegen hatten die Briten etwas einzuwenden. Kein vielversprechender Start in die neue außenpolitische Ära der Europäischen Union.

Wenn die EU mehr mitreden wolle, müsse sie jedoch auch ihre Rüstungsanstrengungen verstärken, so Busek. „Es hat in der Geschichte der Menschheit noch nie eine Weltmacht gegeben, die nicht zugleich auch Militärmacht ist.“

„Die stille Supermacht“ nannte der amerikanische Princeton-Professor Andrew Moravcsik Europa unlängst bewundernd und wies darauf hin, dass die EU den Handel in Nahost dominiert. Er vergaß zu erwähnen, dass Europa in der Region politisch wenig zu bestellen hatte. Busek hält deshalb wenig davon, dass sich Europa damit begnügen könne, ausschließlich „Soft Power“ zu sein. „Der moralische Gestus Europas kaschiert oft nur Schwäche“, sagt Busek. In den Verhandlungen über das Atomprogramm mit Iran sei das Konzept jedenfalls nicht aufgegangen.

Über Hard und Soft Power soll in Alpbach eine Runde diskutieren, die „Presse“-Chefredakteur Michael Fleischhacker (28.8., 9.00 Uhr) moderiert. Eingeladen ist auch der US-Botschafter bei der UNO, Zalmay Khalilzad. Ob er kommt, ist fraglich.

Es wird noch um andere Fragen gehen in Alpbach: Wird Europa genug kluge Köpfe anlocken können, wird es ausreichend Rohstoffe haben, um sein Gewicht halten zu können? Die Frage aller Fragen wird jedoch sein, wohin die außenpolitische Reise des Raumschiffs gehen wird, das Ex-EU-Kommissionspräsident Jacques Delors einmal als „unidentifiziertes politisches Objekt“ bezeichnet hat.

ALPBACH 2007. 17 Seminartage im Bergdorf

„Emergence. Die Entstehung von Neuem“ lautet das Generalthema für 2007. Vom 16. bis 23. August finden die geistes- und sozialwissenschaftlichen Seminare statt, daneben beginnen die Sonder- tagungen: Architekturgespräche (17./18.8.), Tiroltag (19.8.), Reformgespräche (20.-22.8.), Technologiegespräche (23.-25.8.). und Film-Workshop (25./26.8).

Der zweite Abschnitt: Politische Gespräche(26.-29.8.), Gesundheitsgespräche (27./28.8.), Bankenseminar (27.-29.8.) Wirtschaftsgespräche (29.-31.8.) und der Universitätstag (31.8.-1-9). Information: www.alpbach.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2007)

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