Frankreich: Ex-Premier Raymond Barre gestorben

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Barre führte die französische Regierung von 1976 bis 1981. Seine Sparpolitik hatte ihn unbeliebt gemacht.

Der frühere französische Premierminister Raymond Barre ist am Samstag im Alter von 83 Jahren gestorben. Er starb nach Angaben seiner Familie im Pariser Krankenhaus Val-de-Grâce, in das er im Frühjahr wegen Nieren- und Herzproblemen eingeliefert worden war. Barre führte die französische Regierung von 1976 bis 1981 unter dem liberalen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing.

Der parteilose Wirtschaftswissenschaftler und überzeugte Europäer vertrat damals einen strikten Sparkurs. Barre geriet mehrmals wegen antisemitischer Äußerungen in die Kritik. Giscard sagte am Samstagmorgen, Frankreich verliere "einen seiner besten Diener".

Der Neogaullist und damalige Regierungschef Jacques Chirac hatte den bekannten Wirtschaftsprofessor Barre 1976 als Handelsminister in sein Kabinett geholt. Als Chirac kurz darauf zurücktrat, wurde Barre von Staatspräsident Giscard d'Estaing mit der Regierungsbildung beauftragt. Mit einer Amtszeit als Premierminister von vier Jahren und neun Monaten gehörte Barre zu den eher langlebigen Regierungschefs der Fünften Republik.

Brillanter Wissenschaftler

Giscard praktizierte mit Barre eine klare Kompetenztrennung: Barre war für die Wirtschaft zuständig, Giscard für die Außenpolitik. Der damals 52-Jährige galt als brillanter Wissenschaftler. Er musste in seiner Amtszeit mit den Folgen des Ölpreisschocks, einer Abwertung des Franc und einer zweistelligen Inflation fertig werden.

1981 mit dem Sieg des Sozialisten Francois Mitterrand zog sich Barre an die Universität in Paris zurück, und wurde zu einem der schärfsten Kritiker des Präsidenten. 1988 trat er im Wahlkampf sogar gegen Mitterrand an, scheiterte aber.

Beliebt war der als elitär und bei manchen als arrogant geltende Barre bei den Franzosen nicht. Bemerkungen wie "die Arbeitslosen sollten lieber Firmen gründen" trugen nicht zu seinem guten Ruf bei. Einen festen Platz hatte der auf Réunion geborene Politiker allerdings in seiner politischen Heimat Lyon, wo er bis 2001 Bürgermeister war.

Umstrittene Äußerungen 

Seine Sparpolitik hatte Barre zwar unbeliebt gemacht, richtig umstritten war er aber wegen antisemitischer Äußerungen. Nach einem Anschlag auf eine Synagoge in Paris im Jahr 1980 hatte Barre gesagt, "der Anschlag war gegen Juden auf ihrem Weg in die Synagoge gerichtet und traf unschuldige Franzosen". Die Entrüstung über diese Aussage bezeichnete er noch im März 2007 in einem Hörfunkinterview als ein Werk "der jüdischen Lobby", die "zu würdelosen Machenschaften fähig ist". Den französischen Kollaborateur und Kriegsverbrecher Maurice Papon nahm er in Schutz, da dieser als Beamter nur seine Pflicht getan habe.

Frankreichs Premierminister François Fillon würdigte Barre am Samstag als einen Mann, "der alle Facetten des französischen Politikers hatte" und "moralisch anspruchsvoll und korrekt" gewesen sei. Der Elysée-Palast, das Amt von Präsident Nicolas Sarkozy, bezeichnete den Verstorbenen als "unabhängigen Geist", der "Mut und Offenheit in den Dienst des allgemeinen Interesses gestellt" habe. (Ag.)

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