Russland: Weltmeister beim Abfackeln

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Riesige Mengen Gas werden laut einer Weltbank-Studie ohne Nutzen verbrannt. Der größte Sünder, Russland, wird nun aktiv – um die ökonomischen Folgen zu mildern.

MOSKAU/WASHINGTON. Die Erde sieht aus dem Weltraum wie ein Sternenhimmel aus. Und zwar nicht nur wegen der elektrischen Beleuchtung, die Städte und Ballungszentren deutlich hervortreten lässt. Sondern auch, weil weltweit Tausende Gasflammen ohne Unterlass brennen. Diese werden gespeist von sogenanntem „Erdölbegleitgas“, das bei der Förderung von Erdöl als Nebenprodukt anfällt. Die direkte Nutzung ist wegen dessen chemischen Eigenschaften oft schwierig. Zudem verfügen Ölförderstationen über keine Pipelines, in denen man das Gas abtransportieren könnte. Das Begleitgas wird deshalb häufig direkt im Ölfeld abgefackelt.

Einer der Brennpunkte ist laut einer eben veröffentlichten Weltbank-Studie Westsibirien. Die Daten dazu stammen von Wettersatelliten des US-Verteidigungsministeriums, die in knapp 700 Kilometer Höhe um die Erde kreisen. Aus der Helligkeit der Lichtpunkte wird auf die Menge des verbrannten Gases geschlossen. Das Ergebnis: Russland ist mit Abstand der größte Abfackler der Welt. Anstatt der offiziellen Angaben von jährlich rund 20 Mrd. Kubikmeter (m3) Gas, die ohne Nutzen verbrannt werden, ermittelte die Weltbank 50,7 Mrd. m3 – ein Drittel der weltweit abgefackelten Gasmenge. Zum Vergleich: Das entspricht dem Sechsfachen des jährlichen österreichischen Gasverbrauchs.

Gigantischer Einnahme-Entfall

Die Situation ist sogar schlimmer geworden: Russland hat binnen zehn Jahren die abgefackelte Menge um zehn Mrd. m3 gesteigert und damit den bisherigen Spitzenreiter Nigeria (23 Mrd. m3) überholt, der das Abfackeln um zehn Mrd. Kubikmeter reduziert hat.

Das Abfackeln ist aus mehreren Gründen katastrophal. Es ist zum einen schädlich für die Umwelt: gigantische Mengen an CO2 und an unverbrannten Kohlenwasserstoff-Resten werden in die Atmosphäre geblasen, wo sie die Klimaerwärmung verstärken. Zum anderen ist es auch aus wirtschaftlichen Gründen problematisch: Nicht nur, dass dabei ohnehin knappe Energie-Ressourcen vergeudet werden. Den Energiefirmen entgehen auch hohe Einnahmen. Allein die offiziellen Mengen bedeuten einen Einnahmeverlust von rund fünf Mrd. Dollar.

Moskau zeigt zwar der Weltbank-Initiative GGFR („Global Gas Flaring Reduction“), die 2002 zur Eindämmung des Abfackelns gegründet wurde, weiterhin die kalte Schulter, wird aber nun selbst aktiv: Die Regierung hat einen Aktionsplan verabschiedet, demzufolge 95 Prozent des anfallendes Gases bis zum Jahr 2011 genutzt werden müssen. Auch soll eine „Fackelsteuer“ eingeführt werden.

Dabei sind bereits heute die Strafen für das Abfackeln empfindlich. 2005 stiegen sie um das Tausendfache von fünf Kopeken auf 50 Rubel je Tonne Methan. Dieser Tarif gilt für jene Mengen, die für ein konkretes Bohrloch vorgesehen ist. Wird mehr abgefackelt, werden 250 Rubel je Tonne fällig. Experten meinen, dass die Ölkonzerne jährlich rund 110 Mio. Euro an Strafen bezahlen.

Genutzt hat das bisher wenig. Russische Ölkonzerne macht bislang vor allem den Gas-Riesen Gazprom dafür verantwortlich, dass noch immer so viel Erdgas abgefackelt wird. Der Konzern hat das Leitungsmonopol und entscheidet, ob Ölgesellschaften ihr Erdgas in das Gazprom-Transportsystem einspeisen dürfen.

Gazprom wird aktiv

Allerdings bewegt sich Gazprom nun: Die Konzern-Töchter Gazprom Neft, ein Ölkonzern, und das Chemieunternehmen Sibur gründeten kürzlich ein Joint-Venture zur Nutzung des Erdölbegleitgases. Eine Fabrik im westsibirischen Gebiet am Fluss Ob mit einer Kapazität von einer Mrd. m3 pro Jahr macht den Anfang.

Die Ölkonzerne TNK-BP und Rosneft arbeiten ebenfalls mit Sibur zusammen, um das Gas ökonomisch sinnvoll zu nutzen. Sibur will bis zum Jahr 2011 Kapazitäten von 22 Mrd. m3 schaffen. Das Gas kann in Sibirien in Kraftwerken zur Stromerzeugung eingesetzt werden.

Das Umdenken bei Gazprom dürfte nicht nur mit dem öffentlichen Druck oder Umweltbedenken zu tun haben, sondern auch damit, dass der Konzern dringend Erdgas braucht, um seine Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Die Erschließung neuer Gasfelder ist, wie berichtet, komplizierter und langwieriger als gedacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2007)

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