Postsowjetischer Pomp in der kasachischen Steppe

Der kasachische Staatsführer Nasarbajew zeigt derzeit gerne, was das Land in rauen Mengen hat: Geld.

Astana. Wer hierzulande Kasachstan hört, denkt vermutlich entweder an viel flaches Land mit jeder Menge Grasbüschel drauf. Oder an die Raubersgeschichte rund um Rakhat Alijew, den früheren kasachischen Botschafter in Wien. Der Ex-Schwiegersohn des Präsidenten ist bei eben diesem in Ungnade gefallen, wurde zwangsgeschieden und sollte an seine Heimat ausgeliefert werden, damit ihm der Prozess gemacht werden kann. Österreich lehnte ab, mittlerweile sei der Mann außer Landes und das Problem aus der Welt.

Gerade rechtzeitig. In der Vorwoche reiste nämlich eine von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Kammer-Vizepräsident Richard Schenz angeführte Delegation nach Zentralasien, um mit den Kasachen ins Geschäft zu kommen. Und dabei machen sich diplomatische Verstimmungen alles andere als gut.

„Land ist politisch stabil“

In Kasachstan geben sich derzeit Wirtschaftsdelegationen aus ganz Europa die Klinken in die Hand. Kein Wunder. Das Land erlebt einen enormen Aufschwung, allerorts warten fette Aufträge. Die Wirtschaft wächst im Schnitt mit zehn Prozent pro Jahr und unter kasachischem Boden ist so gut wie all das zu finden, was das westliche Kapitalistenherz so begehrt: Öl, Erdgas, Kupfer, Zink – und nicht zu vergessen: Uran.

Westliche Investoren sind nicht nur willkommen, sie finden auch eine relativ freie Wirtschaft vor. „Zudem ist das Land politisch stabil“, wie es die designierte österreichische Botschafterin Ursula Fahringer freundlich formulierte. Diese Einschätzung ist nicht übertrieben. Die politische Lage in Kasachstan ist ähnlich „stabil“ wie jene in Nordkorea. Was an der kasachischen Ausgabe von Kim Jong-il liegt: Staatschef Nursultan Nasarbajew. Er führt das Land seit 1991 mit eiserner Hand. Oppositionelle Parteien gibt es zwar, sie konnten bei den letzten Wahlen aber nicht einen einzigen Sitz erobern.

Die Kasachen stört das herzlich wenig. Seit Jahren geht es im Land beständig aufwärts. „Vater“ Nasarbajew bringt den Menschen Wohlstand, steckt Milliarden von Dollar in die Modernisierung des Landes, baut Schulen und Krankenhäuser, schickt Studenten auf ausländische Universitäten, lockt westliche Firmen ins Land. Aufträge gibt es in rauen Mengen: Etwa im Umfeld der Öl- und Gaswirtschaft, in der Errichtung von Infrastruktur, im Ausbau des Gesundheitswesens, der textilverarbeitenden Industrie, der Nahrungsmittelproduktion bis hin zur Bauwirtschaft

Vor allem am Bau ist viel Geld zu machen: In den Tourismus werden bis 2010 knapp 35 Mrd. Dollar gepumpt. Allein in Astana, der im kasachischen Irgendwo aus dem Boden gestampften Hauptstadt, werden geschätzte zwei Mrd. Dollar pro Jahr verbaut – im wahrsten Sinne des Wortes. Postsowjetischer Pomp soweit das Auge reicht. Nasarbajew zeigt eben gerne, was das Land seit kurzem in Hülle und Fülle hat: Geld.

Mithilfe der sprudelnden Devisen aus dem Verkauf von Rohstoffen werde das Land in 25 Jahren zu den zehn reichsten Staaten der Welt gehören. So der Plan, der noch ein wenig engagierter erscheint als die Lissabon-Ziele der EU. Bereits auf Westniveau sind die Immobilienpreise. Unter 3000 Euro ist der Quadratmeter Wohnfläche in der Hauptstadt nicht zu haben. Der Zuzug ist dennoch enorm. 220.000 Einwohner hatte Astana vor vier Jahren, heute sind es 540.000, in einigen Jahren werden über eine Million erwartet.

Drohendes Machtvakuum

In 25 Jahren wird Nasarbajew voraussichtlich nicht mehr Präsident sein. Ein Tag, vor dem sich nicht nur ausländische Investoren fürchten, sondern auch westlich orientierte Kasachen. „Es gibt zu Nasarbajew keine Alternative“, wie immer wieder zu hören ist. Was auch daran liegt, dass Nasarbajew neben Oppositionellen auch potenzielle Nachfolger für verzichtbar hält. Sämtliche Aspiranten wurden zeitgerecht entsorgt. Im dadurch vorhersehbaren Machtvakuum könnten die drei bestimmenden Clans dazu ansetzen, das rohstoffreiche Land samt Bodenschätzen unter ihre Kontrolle zu bringen. Spätestens dann wird es wohl um die gelobte „politische Stabilität“ geschehen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2007)

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