Nicht verurteilt, Anwalt zu werden

Die Presse (bruckberger)
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High-Performer: Michael Kutschera, 49, Partner bei Binder Grösswang. Am Wendepunkt. Ein Studium in den USA galt in Österreich Anfang der 80er Jahre noch als Zeitverschwendung. Michael Kutschera wagte trotzdem den Sprung über den großen Teich an die New York University.

So unvorstellbar es klingen mag: Es gab eine Zeit, als Anwälte ohne Blackberry auskommen mussten. Und ohne RIS. Und auch ohne Faxgerät. „1985, als ich bei der US-Kanzlei in New York war, hatten wir zufällig einen Fall mit Österreich-Bezug“, erinnert sich Michael Kutschera, Partner bei der Wiener Sozietät Binder Grösswang. Die amerikanische Kanzlei hatte damals schon mehrere Faxgeräte – Binder Grösswang in Wien dagegen nur ein Telexgerät. „Die Faxe nach Amerika wurden dann auf Umwegen über einen befreundeten Patentanwalt geschickt.“ Um die Anschaffung des ersten Faxgerätes im Wiener Büro musste Michael Binder, heute ebenfalls Partner, noch hart kämpfen. „Das war dann so ein hässliches, orangefarbenes Kasterl“, sagt Kutschera, der dieser Tage seinen 50. Geburtstag feiert.

„Plötzlich war Geldverdienen wieder in“

Ein Datum, das für gewöhnlich Anlass ist, um die Karriere Revue passieren zu lassen. Ist Kutschera heute dort, wo er nach seiner Promotion an der Universität Wien 1979 geplant hat, eines Tages zu landen? „Ich wäre nicht dazu verurteilt gewesen, Anwalt zu werden. Ich habe keinen strategischen Karriereplan umgesetzt, sondern mir immer möglichst viele Optionen offen gelassen.“

So zum Beispiel 1982, als er nach dem Karrierestart als Assistent am Wiener Institut für Handels- und Wertpapierrecht und ersten Jahren als Rechtsanwaltsanwärter beschloss, mit einem Fulbright-Stipendium an die New York University zu gehen. „Damals meinten die Leute noch, ein Studium in den USA sei Zeitverschwendung.“

Aus heutiger Sicht eine abenteuerliche Ansicht. Doch wer das Aufblühen der Anwaltsbranche in den vergangenen zwei Jahrzehnten verstehen will, der muss sich den Zeitgeist der frühen 80er Jahre vor Augen halten, als die heute führende Riege an Wirtschaftsadvokaten ihr Studium abschloss. „Damals gab es einen Paradigmenwechsel in der Einstellung zum Berufsleben“, sagt Kutschera. „Vorher herrschte eine Flower-Power-Stimmung mit der erstaunlich biedermeierlichen Vorstellung eines möglichst kurzen, eng reglementierten Arbeitstages. Und plötzlich wurde es wieder in, Geld zu verdienen und sich dafür nicht zu schämen.“ Kutschera, Binder, der Handelsrechtler und Anwalt Michael Enzinger, der Schönherr-Partner und Doyen des Immaterialgüterrechts Guido Kucsko: Sie alle gehörten zu jener Generation damaliger Universitätsassistenten und angehender Anwälte, die „Erfolg im Beruf anders besetzt hat als die Studentengeneration vor uns, die dauernd nur von Arbeitsleid sprach.“

Mentoren: Frotz und Gruson

Zwei Männer haben Kutscheras Laufbahn geprägt. Das war zunächst Gerhard Frotz während der Assistentenzeit am Juridicum. „Der war ein Lehrer aus Leidenschaft.“ Später, in den USA, hinterließ sein Chef bei Shearman & Sterling, der Deutsche Michael Gruson, einen tiefen Eindruck beim jungen, frisch in New York als Anwalt zugelassenen Kutschera: „Der war schillernd, hochintellektuell, hat Tag und Nacht gearbeitet – und trotzdem in aller Seelenruhe am Telefon die Streitereien seiner sechs Söhne geschlichtet.“ Vor allem habe ihn Grusons „unglaubliche Klientenorientierung“ beeindruckt. „Wenn er etwas mit einem Klienten am Dienstagnachmittag besprochen hat, und der wollte es am Freitag, dann schickte Gruson die Unterlagen schon am Mittwoch.“

Heute führt Kutschera selber ein Team junger Konzipienten, 30 sind es derzeit in der gesamten Kanzlei. Die Jungen hätten heute „viel mehr Druck als Ende der 70er Jahre“. Wobei sich ein ärgerliches Paradoxon mittlerweile geändert habe: „Damals wurden die Konzipienten umso schlechter bezahlt, je besser die Kanzlei war.“ Die heutigen Uniabsolventen sind Kutscheras Ansicht nach professioneller. Und selbstbewusster: „Da kommt im Vorstellungsgespräch schon mal die Frage: ‘Welche Vision haben Sie für mich?‘ Wir hätten uns das vor 25 Jahren nicht getraut.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2007)

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