Oliviero Toscani: „Das Fernsehen abschaffen“

(c) AP
  • Drucken

Skandal-Fotograf Oliviero Toscani sieht die Kunst in einer Krise.

Etwas wie die „Nürnberger Prozesse“ gegen die Werbe- und Medienwelt erwartet der umstrittene italienische Fotograf Oliviero Toscani. Wann? „Ich hoffe, ich bin dann noch am Leben“, sagte er der Austria Presse Agentur; anlässlich der Ars Electronica ist er in Wien.

Derzeit sorgt eines seiner Plakate einer essgestörten, abgemagerten nackten Frau für Kontroversen. Mit dem Bild der französischen Schauspielerin Isabelle Caro, die an Anorexie leidet und 31Kilo wiegt, zeige er die Kriege, die in der Gesellschaft stattfinden. „Ich bin schockiert darüber, was diese Gesellschaft alles von uns verlangt. Wir leben in einer anorektischen Welt.“ In dieser müsse man „gut aussehend, erfolgreich, reich“ sein. Die Verantwortlichen werden sich einmal vor Gericht rechtfertigen müssen, ist Toscani überzeugt. „Ich werde dabei sowohl anklagen als auch Angeklagter sein“, glaubt der exzentrische Fotograf.

In den Achtzigern und Neunzigern arbeitete Toscani für den Benetton-Konzern, schockierte die Öffentlichkeit mit HIV-Positiven oder getöteten Soldaten auf Werbeplakaten. Damit bediente und kritisierte er die Werbung gleichzeitig. Heute versuche er, sich von Bildern fernzuhalten: „Ich wünschte, ich könnte das Fernsehen abschaffen.“ Die Ars Electronica hat sich also einen scharfen Kritiker der Idee eingeladen, dass elektronische Werkzeuge der Kreativität dienlich seien. „Sie machen stumm und blind. Technologie ist ein unglaublich starkes Werkzeug, und Kreative sind oft schwach.“

„Ich weiß nicht, wie viel Geld ich habe“

Dabei: Die Terroranschläge 2001 in den USA hätten die Kunst ohnehin getötet, so Toscani. „Wie kann man eine Videoinstallation machen nach dem, was man an diesem Tag gesehen hat? Die Kunst steckt seither in einer großen Krise. Deswegen ist diese Gesellschaft so traurig.“ Man ziehe sich auf jenes Schaffen zurück, das den „guten Geschmack“ bediene – „aber das ist keine Kunst“. Kunst müsse subversiv sein. Den Einwand, dass er selbst auch ohne Rücksicht auf den guten Geschmack reich und berühmt geworden sei, wischt Toscani weg: „Ich bin sehr reich – denn ich weiß nicht, wie viel Geld ich habe. Meine Frau macht das. Ich frage sie: Kann ich mir ein neues Auto kaufen? Wenn sie ja sagt, dann mache ich das.“ APA/trick

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.