Todd Haynes: "Der Mythos macht die Person"

AP (Stuart Ramson)
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Der Regisseur des am meisten beachteten Films der diesjährigen Viennale im DiePresse.com-Interview. Haynes über seinen Film "I'm Not There", Bob Dylan, Biografien und sein neues Projekt über George W. Bush.

Kein anderer Film steht bei der Viennale so im Mittelpunkt wie "I'm Not There", die viel gelobte Bob Dylan-Biografie von Todd Haynes. Bereits seit "Velvet Goldmine" und "Dem Himmel so fern" gehört er zu den gefeierten Independent-Regisseuren mit Hollywood-Flair. Haynes dürfte den plötzlichen Erfolg jedoch mit Humor nehmen. Im Wiener "Hilton" wirkte er wie ein verspielter Junge, der hämisch grinsend das Rampenlicht genießt. Im Interview mit DiePresse.com erläuterte Haynes seine eigene Definition einer Künstlerbiografie und sprach auch erstmals offen darüber, ob Dylan selbst je zu dem Film Stellung genommen hat.

Der Film ist nicht unbedingt etwas für hartgesottene Dylan-Fans. Manche könnten sich sogar ziemlich angegriffen fühlen. Haben Sie Angst vor deren Reaktionen?

Nein, der Film ist nicht wirklich was für diese typischen Fans. Mir war schon bewusst, dass ich mit Bob Dylan eine ziemliche Legende angreife. Aber eigentlich weiß ich gar nicht so genau, was ich tue. Ich wollte einfach einen Film machen, der so nah wie möglich seine Person, sein Künstlertum berührt. Oder so wie ich dieses sehe. Er verarbeitete so viele gesellschaftliche und soziale Probleme in seinen Songs, wodurch er auch die Masse erreichte. Gleichzeitig veränderte er sich ständig, die Masse blieb ihm aber treu.

Primär ging es mir um die Projektionsfläche "Bob Dylan" und den Druck, den ein Mann wie er haben muss, weil er eben Bob Dylan ist. Die Biografie war hierfür das beste Mittel, da er wie kaum jemand sonst Leben und Kunst verbindet. Aber das ist ja gerade so lustig an den Fans. Sie laufen ihm nach, spüren ihn auf, sammeln seine Spuren. Nichts anderes habe ich in diesem Film gemacht. Es war eigentlich reine Recherchearbeit.

»Dylan ist ein Mythos. Aber der Mythos macht die Person.«

Todd Haynes

Für mich klingt das, als würde sich dadurch der ganze Begriff "Biografie" sehr verschieben. Immerhin wird Dylan im Film nie namentlich genannt, sein Leben wird nur anhand seiner Songs in sechs Teile aufgeteilt.

Ich habe immer gefunden, dass man die Biografie eines Künstlers nur durch sein Werk verstehen kann. Es ist unmöglich als Geschichtenerzähler, so wie ich einer bin, objektiv zu bleiben. Man schneidet etwas raus, gewisse Dinge sind wichtiger und so weiter. Man fiktionalisiert und es gibt Millionen Meinungen und Ansichten, die man ignoriert. Es gibt keine objektive Ansicht von irgendwas. Man versteht zumeist nur das, was man verstehen möchte.

Selbst in meinen Lieblingssongs von Dylan verstehe ich nicht jedes Wort. Das muss ich aber auch nicht. Es soll emotional sein, gefühlvoll und einen berühren. Hier sieht man schon wie sein Kunstwerk ihn selbst lebendig hält.

Bei "Velvet Goldmine" war es ganz ähnlich. Der Film basierte auf der homosexuellen Beziehung von David Bowie und Iggy Pop. Trotzdem blieben die Namen ungenannt, im Vordergrund standen Identitätsvariationen. Gibt es da Gemeinsamkeiten?

Mir war sehr bewusst, dass diese Künstler alle mit Identitäten und Authentizität spielten. Aber es ist immer noch sehr britisch und ironisch, wenn man das bei Bowie findet. Er imitierte Figuren, die surreal und unwirklich waren. In Amerika ist es anders. Dort gibt es eine andere Ansicht zur persönlichen Vergangenheit eines Menschen. An diese muss man sich erinnern können und Dylan ist genauso ein Mensch mit Vergangenheit. Für mich waren Bowie und Iggy Pop Comic-Figuren des Glam-Rock. Dylan ist ein Mythos. Aber der Mythos macht die Person.

»Ich habe nie Feedback irgendeiner Art von Dylan bekommen.«

Todd Haynes

Wie hat Dylan dann auf das Drehbuch und das fertige Produkt reagiert?

Ich habe nie Feedback irgendeiner Art von Dylan bekommen. Alles was ich bekam, war eine Nachricht von seinem Management in der Art "Wenn ihr diesen Typen mögt, dann gebt ihm die Rechte für den Film". Das ist alles, was ich heute über Dylans Meinung zu dem Film weiß. Und selbst das ist nur ein Zitat.

Wie haben Sie die Schauspieler gewählt? Mit Cate Blanchett, Christian Bale, Heath Ledger und Richard Gere sind darunter ja auch sehr große Namen.

Als Zuschauer muss man diesen Personen abnehmen, was sie darstellen sollten. Ich wollte dafür klassische amerikanische Schauspieler. Mir war wichtig, dass man beim Anblick von Richard Gere etwa an seine Rolle in "Tage des Himmels" denkt. Durch diese neuen Perspektiven entsteht amerikanische Geschichte. Und die übermittelt Dylan in seinen Texten - vom Bibelzitat zu den Popsongs der 60er.

Es gab natürlich Auditions, wo wir die Schauspieler ausgewählt haben. Jedoch mussten diese vorher eine Bedingung erfüllen: Sie mussten mir ein schwarz-weiß Foto von sich als Bob Dylan verkleidet zusenden. Manche haben sogar kleine Filme geschickt. Ich wollte die besten Leute in ihrer Altersgruppe, damit diese Dylan in seiner jeweiligen Lebensphase repräsentieren. Cate Blanchett hat erst am Tag der Oscar-Verleihung zugesagt. Ihr Preis stieg an dem Abend auch enorm: Sie gewann den Oscar als beste Nebendarstellerin in "Aviator".

»Es war so, als würden wir Geld brauchen, um an Geld zu kommen, nur um dann daraus Geld zu machen. «

Todd Haynes

Wie verlief die Produktionsphase? Ich kann mir vorstellen, dass dieser Film der teuerste ist, den Sie je gemacht haben.

Wir brauchten einfach viel zu viel Geld. Es waren rund 17 Millionen Dollar, die durch die Produktion rausgeschleudert wurden - und von den Honoraren der Schauspieler rede ich gar nicht erst. Auf der einen Seite war es ein äußerst ambitioniertes Projekt, da mir komplett freie Hand gegeben wurde, wie der Film aussieht. Bei der Finanzierung war ich allerdings genauso abhängig, wie andere auch. Es war so, als würden wir Geld brauchen, um an Geld zu kommen, nur um dann daraus Geld zu machen. Manche Geldgeber sind dann auch zu Beginn ziemlich nett, bis sie dir ins Gesicht schlagen. Das machen sie aber mit Stil. Es ist schließlich Hollywood. Bei meinem nächsten Projekt wird alles anders.

Können Sie schon etwas darüber verraten?

Nicht viel, wir stecken noch in der Planungsphase. Aber ich denke da an einen Film über George W. Bush. Auf keinen Fall als Biografie, sondern vielmehr hinter die Kulissen nach 9/11 blickend. Möglicher Arbeitstitel: "How To Sell A War".

Etwas ähnliches hat auch Jane Fonda gesagt. Auch sie möchte so einen Film drehen. Nachdem sie "I´m Not There" gesehen hat, hat sie davon gesprochen.

Jane Fonda hat meinen Film gesehen? Mann, jetzt kann ich glücklich sterben.

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