„Euer Glaube ist unser Sieg“

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Christianisierung. Wie Kaiser Konstantin der Große im Jahre 312 setzte auch der Franke Chlodwig Ende des 5.Jahrhunderts auf das Christentum. Sein Bekenntnis zu Rom half bei der Schaffung des Merowinger-Reiches.

Es sei ein herrlicher Weihnachtstag gewesen, sagen mittelalterliche Legenden, im Jahre 498, vielleicht auch schon 496, als der Frankenkönig Chlodwig in Reims getauft wurde, und das von einem Heiligen: „Zuerst verlangte der König, vom Bischof getauft zu werden. Er ging, ein neuer Konstantin, zum Taufbade hin, sich reinzuwaschen von dem alten Aussatz und sich von den schmutzigen Flecken, die er von alters her gehabt, im frischen Wasser zu säubern. Als er aber zur Taufe hintrat, redete ihn der Heilige Gottes mit beredtem Munde so an: Beuge still deinen Nacken, Franke, verehre, was du verfolgtest, verfolge, was du verehrtest. Es war nämlich der heilige Bischof Remigius ein Mann von hoher Wissenschaft...“ 3000 Gefolgsleute ließen sich mit Chlodwig taufen.

Diese Beschreibung des Gregor von Tours, die den barbarischen Salfranken mit Konstantin vergleicht, dem römischen Kaiser, der dem Christentum Anfang des 4.Jahrhunderts zur Dominanz verhalf, wurde fast 80 Jahre nach dem Geschehen aufgezeichnet. Gregors Hauptzeuge ist die 544 verstorbene Chrodechilde, die romtreue Witwe Chlodwigs. Intention des Chronisten ist eindeutig die Rechtfertigung des Herrschergeschlechts der Merowinger und des katholischen Glaubens, doch die dramatische Schilderung der Bekehrung ist in einem Punkt nicht zu widerlegen: Vor allem weil sich Chlodwig für Christus und Rom entschied, wurde das Mittelalter im Westen Europas lateinisch.

Der Kampf gegen die Arianer

Um das Jahr 500, ein Vierteljahrhundert nach Absetzung des letzten weströmischen Kaisers, Romulus Augustulus, hingen die Führer der germanischen Reiche der Westgoten, Burgunder und Ostgoten, von Spanien bis an die Adria, noch dem arianischen Glauben an, der bereits unter Konstantin beim Konzil von Nicaea 325 als Irrlehre eingestuft worden war. Die Franken hingegen, einst ungehobelte Piraten aus dem Norden, waren großteils noch Heiden, aber seit Generationen hatten sie Kontakt mit den Römern, und einige stiegen zu Heerführern der römischen Hilfstruppen auf.

Chlodwigs Vater Childerich etwa, dessen Grab nahe Tournai 1653 wieder entdeckt wurde, war in voller Tracht begraben worden, als fränkischer König und als römischer Offizier – ein kriegerischer Heide, der die meisten anderen germanischen Stammesführer an Bedeutung übertraf.

Der Ostgote Theoderich der Große hingegen, der zu Zeiten Chlodwigs in Ravenna residierte und als Dietrich von Bern in die deutsche Sage eingegangen ist, war Arianer. Und er lavierte zwischen Ostrom und Rom. Auch er träumte von einem großen Reich im Westen des Mittelmeeres. Hätte man damals spekuliert, wer die Machtkämpfe unter den Germanen-Stämmen gewinne würde, er wäre der erste Kandidat gewesen. Doch das wusste auch Ostrom, das ihn erzogen und für seine Zwecke instrumentalisiert hatte. Sein Reich ging unter, als Konstantinopel erstarkte. Das gleiche Schicksal ereilte auch die Burgunder und Westgoten. Sie mussten sich der Macht Chlodwigs beugen.

Sein Kalkül: Nach dem Sieg über die römischen Herrscher Galliens wählte er sich die bei der dortigen Bevölkerung dominante römische Kirche zum Verbündeten, um gegen die arianischen Stämme im Süden seines Reiches vorzugehen. Dorthin drängten die Franken und wurden gedrängt. Rom war auch die Chance für Chlodwig, seine Führungsrolle in dem losen Verbund der Stämme zu behalten. Die Bekehrung erfolgte laut Gregor bei einer der vielen Schlachten gegen die Alemannen, vielleicht in jener bei Zülpich 496/497, als Chlodwigs Heer vernichtet zu werden drohte: „Als er das sah, erhob er seine Augen zum Himmel, sein Herz wurde gerührt, seine Augen füllten sich mit Tränen, und er sprach: Jesus Christus, Chrodechilde verkündet, du seiest der Sohn des lebendigen Gottes. Man sagt, du gebest Hilfe den Bedrängten und Sieg den auf dich Hoffenden. Dich flehe ich demütig an um deinen mächtigen Beistand. Gewährst du mir jetzt den Sieg über diese meine Feinde... so will ich an dich glauben und mich taufen lassen auf deinen Namen. Denn ich habe meine Götter angerufen, aber wie ich erfahre, sind sie weit davon entfernt, mir zu helfen.“

Praktische Gründe der Bekehrung

Diese Passage ist ähnlich dramatisch wie jene, in der Konstantin beim Marsch auf Rom vor der Schlacht an der Milvischen Brücke vom Sieg unter dem Zeichen Christi träumt, wieder vergleicht Gregor seinen Helden mit dem großen römischen Kaiser. Die Glaubensentscheidung hatte auch praktische Gründe. Es war für germanische Heerführer üblich, die mächtigsten Götter anzurufen, sie verhalfen zum Sieg. Das war auch riskant. Bei einer Niederlage wurden auch die Götter geschwächt, es drohte der Machtverlust. Zudem sahen sich die germanischen Fürsten als direkte Nachkommen ihrer Götter, Christianisierung war Verrat.

Chlodwig, der als grausam und verschlagen geschildert wird, der Verwandte systematisch töten ließ und die meisten Verträge brach, ließ sich so wie Konstantin noch länger Zeit mit der Konversion. Auch bei ihm ist nicht sicher, ob er Christus nur als mächtigen Gott neben anderen akzeptierte, man weiß nicht einmal, ob er den alten Göttern Roms oder jenen der Salfranken abschwor. Eindeutige Abgrenzungen gab es damals nicht. Die Christianisierung Europas hatte erst begonnen, noch war dieser Glaube vor allem ein Phänomen der Städte. Es würde noch Jahrhunderte brauchen, bis er ganz im Norden des Kontinents angelangt war.

Die Zeitgenossen Chlodwigs aber sahen dessen Bekehrung als entscheidenden Wendepunkt. „Eurer Glaube ist unser Sieg“, jubelte Avitus von Vienne, der Metropolit des bald von den Franken einverleibten Burgunderreiches, und gab dem aufstrebenden Herrscher sogleich einen Missionsauftrag: „Streut aus dem reichen Schatz Eures Herzens die Glaubenssaat auch unter die ferner wohnenden Stämme, die bisher in natürlicher Ungewissheit leben und nicht durch Keime von Irrlehren verdorben sind.“ Die Franken nahmen den Kirchenmann beim Wort. Sie schlugen sich durch halb Europa und machten es katholisch. Die wenigsten der Merowinger benahmen sich dabei auch nur entfernt christlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2007)

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