Daseinsvorsorge: Müssen Wasser und Strom in Hand des Staates sein?

Experten diskutieren über Rolle der öffentlichen Hand.

Semmering (dom). Harte Kritik an der Energiepolitik der EU übte Rainer Plassmann vom Dachverband der Erbringer gemeinwirtschaftlicher Leistungen am Montag bei einer Tagung am Semmering. Die Politik habe in den Neunzigern Fehler gemacht: Man wollte den Markt erzwingen, was nicht gelang, sagte Plassmann bei der Tagung des VÖWG (Verband der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs).

Burkhard Hofer, Chef der EVN, hält ein gewisses Mindestmaß an öffentlichem Eigentum in Schlüsselbereichen wie Wasser und Strom für berechtigt. „Derzeit sieht man in der EU Bemühungen, wie große Firmen davor bewahrt werden sollen, von Russland oder China geschluckt zu werden. Wir in Österreich ersparen uns die Diskussion, da seit 1947 verfassungsrechtlich die öffentliche Mehrheit an der E-Wirtschaft festgeschrieben ist.“

In der EU dominieren grundsätzlich freier Wettbewerb und Dienstleistungsfreiheit. Ob und wie weit das auch für Themen der Daseinsvorsorge gilt, ist alles andere als klar geregelt, erläuterte VÖWG-Präsident und Ex-Minister Caspar Einem. Zur Daseinsvorsorge zählen Bereiche wie Infrastruktur, Gesundheit, soziale Absicherung, Bildung etc. „Dass diese Dinge allgemein zugänglich und leistbar sind, gehört wesentlich zum europäischen Modell des Sozialstaates“, meint Einem. Eine Verankerung im EU-Recht scheitert aber seit Jahren am Widerstand Großbritanniens.

Diffizil ist die Unterscheidung, ob für die Daseinsvorsorge, ein Begriff, der übrigens aus der Nazizeit stammt, die EU-Ebene oder die Mitgliedstaaten zuständig sind. Eindeutige EU-Zuständigkeit gibt es laut Michael Holoubek, Vorstand des Instituts für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der WU, nur für Bereiche der Infrastruktur wie Telekom, Energie oder Post, wo die Märkte bereits liberalisiert sind. Bei der Gesundheit ist es nicht so eindeutig.

Streit um Zahnambulatorien

Ein aus österreichischer Sicht heikler Fall liegt derzeit beim EuGH. Es geht dabei um den Wunsch des Fotolöwen Robert Hartlauer, Zahnambulatorien zu eröffnen. Die Sozialversicherungen sind dagegen, der EuGH prüft. Ebenfalls ein Fall für den EuGH könnte der in Österreich geltende Gebietsschutz für Apotheken werden. Derzeit befasst sich die EU-Kommission damit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2007)

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