"Hermes Phettberg, Elender": Ministrant, Maskottchen, mäuselos

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Ein Leben auf der Couch: Kurt Palms „Hermes Phettberg, Elender“. Ab Freitag.

In der Grabnergasse in Wien-Gumpendorf hat sich einer der letzten Körperkünstler Österreichs eingehöhlt, da trifft ihn Regisseur Kurt Palm zum Couch-Gespräch. Der Beginn riecht nach Epitaph: In die 90er führt ein Ausschnitt der „Nette Leit Show“, Hermes Phettberg schien seinen Platz im ORF-Nachtprogramm gefunden zu haben. Er spricht mit dem Pathologen-Entertainer Hans Bankl über Obduktionen von Fettleibigen: Ob man ihm postmortal nicht Silikon in die Bauchhöhle stopfen könnte, auf dass seine zu erinnernde Erscheinung nicht verschlanke.

Hermes Phettberg, geboren als Josef Fenz, hat das Äußere in den Kunstnamen gepackt: Sein kreatives Wirken in der und auf die Öffentlichkeit ist ohne diesen Körper undenkbar. Vielleicht Ergebnis des Heranwachsens als Weinbauernsohn im niederösterreichischen Unternalb(„-traum“): Ein Ausgestoßener, der erst versucht, dazu zu gehören (Ministrant, ÖVP-Mitglied, Pastoralassistent), im Arbeitsrad landet (Bankangestellter), schließlich in Kunst-Aktionen ausbricht.

Bei „Verfügungspermanenzen“ (etwa im Wiener WUK) entäußert er seine sadomasochistischen Vorlieben, lässt sich tagelang anketten mit der Bitte um „Verwendung“. Phettberg ist unvorstellbar ohne Rückbindung ans ländliche Österreich, das ihn irgendwie mitschleifen musste, aber immer versuchte, ihn abzustoßen. In Elender – eine vieler mitleidiger Selbstbeschreibungen des „seelischen Invaliden“ – meint er auf Anfrage Palms, ein „Scheiterhaufen“ zu sein: immer noch besser als die anderen Unternalber, die nur gescheitert sind.

Das Wort und der Leib

Das Wort, merkt man diesem biografischen Gesprächsfilm an, ist Phettberg (der seit 1992 wöchentlich im „Falter“ kolumniert) so zu eigen wie sein Leib. In Rede wie Schrift unterwandert er idealtypische Kommunikation so wie er in Auftritten und Inszenierungen den idealtypischen Körper zerstört.

Die kreative wie freundschaftliche Bindung mit Operettenneudeuter, Kommunist und Brecht-Verehrer Kurt Palm scheint selbstverständlich im Nachhinein: Palm hievt den Unorganisierten auf Theaterbühnen („Die Trilogie vom Schase“, 1992), inszeniert ihn mit der „Nette Leit Show“ zu relativer Berühmtheit. Phettberg wird zum gegenöffentlichen Maskottchen, widersetzt sich dem Massenstrom aus Schönheit, Reinheit, Schlankheit: Er trifft Wolfgang Joop und Elfriede Jelinek, Helge Schneider und Harald Schmidt.

Vom Heute aus gesehen sind die fetten Jahre vorbei: Ein schlanker Josef Fenz hockt mit Palm auf der Gumpendorfer Couch, erzählt sein Leben in eigenen Worten. Man erinnert, wie er Edith Klinger von Mäusen in seiner Wohnung erzählte und Koexistenz mit den Nagern ausschloss, da sie alles „anknabbern“ und „zuscheißen“. So lange sie da waren, wusste er aber, dass es ihm gut geht. Jetzt hat Hermes Phettberg keine Mäuse mehr. mak

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2007)

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