Wildere Hurrikans: Viel Natur, etwas Mensch

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Im Ozean lagert ein neu erschlossenes Klima-Archiv: Korallen geben Auskunft über Tropenstürme des vergangenen Jahrhunderts. Sie zeigen vor allem eine natürliche Sturm-Ursache.

2005 war eine böse Hurrikan-Saison – als Höhepunkt kam Katrina über New Orleans –, die Klimabesorgten sahen sich bestätigt: Wenn es wärmer wird, kommen mehr und heftigere Stürme! 2006 war eine milde Hurrikan-Saison – nicht einer traf die USA –, die Skeptiker fühlten sich bestätigt: Die Wärme stärkt die Stürme nicht! 2007 war wieder eine böse Saison, sie machte nur wenig Schlagzeilen, weil es „nur“ in der Karibik und in Mittelamerika Schäden gab. „Einzelne Jahre sagen überhaupt nichts“, erklärt Mojib Latif (Meereswissenschaften IFM-GEOMAR, Kiel) der „Presse“: „Aber wenn wir die letzten zehn Jahre zusammennehmen, finden wir im vorigen Jahrhundert kein vergleichbar starkes Jahrzehnt. Da kam zweierlei zusammen: In der Hauptsache ein natürlicher Zyklus und dazu eine leichte Tendenz durch die anthropogene Erwärmung.“

Als Zeugen dienen Korallen in der Karibik, aus denen die Forscher einen 1,4 Meter langen Bohrkern gezogen haben, er ist ein Klima-Archiv bis zurück zum Jahr 1918. Die Kunst, darin zu lesen, wurde u.a. von Wolf-Christian Dullo und Steffen Hetzinger entwickelt, beide auch am IFM-GEOMAR, beide auch bei der Studie dabei: „Korallen hat man zuerst angebohrt, um den Fallout der Bombentests auf Mururoa zu dokumentieren“, berichtet Dullo: „Dabei bemerkte man, dass sie Anwachsstreifen haben wie Bäume Ringe.“ Die konnte man zählen – man hatte damit eine Uhr –, die konnte man chemisch analysieren, zunächst auf die Sauerstoffisotope: Das leichtere – 16O – geht mit verdunstendem Wasser in die Luft, das schwerere bleibt und wird in Korallen eingebaut. Allerdings sagt die Verdunstung alleine wenig, sie kann von der Wärme kommen oder vom Wind. Nur die Wärme zeigt hingegen das Verhältnis von Strontium und Kalzium.

Die Forscher haben beide Methoden kombiniert und können damit im Korallenbohrkern die Stürme tiefer in die Zeit verfolgen als bisher – exakte Messungen der Atmosphäre gibt es erst seit 1944. Nun ist man bei 1918 und hat eine starke Korrelation zwischen den Hurrikans – exakter: der accumulated cyclon energy (ACE), in die Häufigkeit und Stärke eingehen – und einer natürlichen Klimaschwankung gefunden, der atlantischen multidekalen Oszillation (AMO).

Rhythmus von 60 Jahren?

„Die Kurven laufen fast eins zu eins parallel“, berichtet Dullo. Sie steigen bis Mitte der 50er-Jahre, fallen bis Mitte der 70er und steigen dann wieder, allerdings ausgehend von einem höheren Niveau, darin steckt der „leichte“ Beitrag des Menschen (Geology, 36, S.11). Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden die Hurrikans in einem 60-Jahres-Rhythmus oszillieren, aber für einen solchen Schluss ist die Zeit von 1918 bis heute zu kurz: Man muss tiefere Archive – dickere Korallen – anbohren: „Sie können 400 Jahre alt werden“, gibt Dullo die Perspektive.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2008)

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