Ein bisschen E und U verbinden...

„Falco Symphonic“: Ein Auftritt mit Orchester (1994) ist auf DVD und CD erschienen.

Mit Schrecken erinnern sich Pophistoriker an die kurze Phase des Symphonic Rock, als Deep Purple mit Orchester tourten, als Rick Wakeman auf den Spuren Jules Vernes mit London Symphony Orchestra eine pompöse „Journey To The Center Of The Earth“ antrat. Bands wie Emerson, Lake & Palmer trachteten danach, die vermeintlich letzte Wäscheleine, die Popmusik und Klassik trennte, niederzureißen; E und U, Frack und verschwitztes T-Shirt, eins sollten sie werden. Leider verfolgten die Protagonisten dabei nicht die schöne Strategie der affirmativen Subversion, sondern beließen es bei leerem Imponiergehabe. Heute weiß es jeder: In beiden musikalischen Sphären gibt es Kommerzler, die sich am empirisch erhobenen Massengeschmack orientieren, und Künstler, die ungeachtet des Weltenlaufs aus sich selbst schöpfen.

Falco, kaum ein originärer musikalischer Denker, war bekanntermaßen Meister im Absorbieren des Zeitgeists, darin mächtig antiprovinziell. In der Lässigkeit seiner Kopien von bekannten Raps und öligen Funk-Basslines lag großer Reiz. Niemand war ihm seiner kommerziellen Manöver wegen gram. Nicht, als er im Jahr des Milos-Forman-Films „Amadeus“ auf eine gleichnamige Nummer setzte. Nicht, als er das aus dem 19.Jahrhundert stammende Berliner Küchenlied „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“ in neuen drogenschwangeren Kontext transponierte. Doch hätte ein Hans Hölzel jemals eine Orchesterplatte „Live in Wiener Neustadt“ herausgebracht? Wohl nie.

Das blieb den ehemaligen Mitmusikern Thomas und Bernhard Rabitsch, Peter Paul Skrepek und Thomas Lang vorbehalten. Sie, die Systemerhalter des Originals Falco, haben immerhin neben Arbeitsethos auch Anstand. Damit heben sie sich aus der Riege der professionellen Falco-Restlverwerter von Spiegel bis Dolezal & Rossacher ab. Die DVD „Falco Symphonic“ beginnt deshalb auch mit einer verdeckten Entschuldigung. O-Ton Falco: „Ich glaube, es ist eine gute Geschichte, ein bisschen E und U zu verbinden...“

Mehr als ein bisschen war nicht drin. Der Amadeus-Schmäh, Smoking und Mascherl – das war nie mehr als soziale Camouflage, Katapult dafür, das Meidlinger L möglichst elegant nach Döbling und Hietzing zu schleudern. Falcos Ex-Nachtflug-Kameraden nahmen die Sache dennoch sehr ernst, versuchten mühselig, aus der Asche eines mickrigen Dat-Bands neues Feuer zu entfachen, zogen Falcos Stimme aus der alten Soundsuppe, spielten die Musik mit Band und Originalorchester neu ein. Respekt vor dieser raffinierten Restaurationsarbeit, doch der künstlerische Gewinn bleibt bescheiden. Notorische Falco-Fans mögen jubeln, für alle anderen bergen diese Aufnahmen nicht viel mehr Erkenntnisgewinn als das Schütteln einer bekannten Hand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2008)

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