Gemeinsam im Flexicurity-Boot rudern

Foto:Teresa Zoetl
  • Drucken

Arbeitsrecht im 21. Jahrhundert: Eine Analyse, wohin die Reise gehen soll.

WIEN(hes). Dass man ohne Flexibilität in der Arbeitswelt wohl nicht auskommen wird, darüber herrschte noch Einigkeit. Von wem allerdings mehr Flexibilität einzufordern sei und wie viel Gewicht dabei der Sicherheit zukommen solle, darüber wurde vergangene Woche im Wifi Management Forum im Rahmen der von der „Presse“ mitveranstalteten Podiumsdiskussion „Arbeitsrecht im 21. Jahrhundert: Mit Flexicurity zum Ziel?“ sehr emotional diskutiert.

Seitdem EU-Sozialkommissar Vladimír Spidla Flexicurity zum Mittel zur Stärkung des europäischen Arbeitsmarktes bis 2010 erklärt hat, machen sich die Mitgliedstaaten verstärkt Gedanken über eine adäquate Umsetzung. Was bedeutet das Konzept der Flexicurity? Es umfasst neben flexibleren Arbeitsbedingungen, also auch einem gelockerten Kündigungsschutz, eine aktive Arbeitsmarktpolitik, lebenslanges Lernen und den Aufbau moderner Systeme sozialer Sicherheit, erläuterte Max Uebe, Mitglied des Kabinetts von Vladimír Spidla.

Jobsicherheit solle zu Gunsten von Beschäftigungssicherheit in den Hintergrund treten. Dänemark habe hier ein Vorzeigemodell eingeführt – mit einem sehr hohen Arbeitslosengeld, das im Laufe der Zeit aber sinke. Dennoch fühlten sich die Arbeitnehmer sicherer als etwa in Frankreich, wo der Kündigungsschutz sehr streng sei.

Bleibt Flexibilität unbedankt?

An die Übertragbarkeit des dänischen Modells auf Österreich wollte Josef Wöss, Leiter der Sozialpolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Wien, nicht so recht glauben. In Dänemark gebe es enorm hohe Investitionen für Umschulungen, eine sehr aktive Arbeitsmarktpolitik und, was vielfach vergessen werde, eine sehr hohe Staatsquote. Nach Wöss' Einschätzung arbeiten in Österreich viele Arbeitnehmer flexibel, ohne dafür honoriert zu werden. „Hier sollte ein höheres Maß an Fairness Einzug halten.“

Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer Österreich, ließ den Vorwurf, nur die Arbeitnehmer seien flexibel – und das unbedankt –, nicht gelten. „Egal wie jemand in Österreich beschäftigt ist, man ist auf hohem Niveau abgesichert.“ Dass die Flexibilität eine asymmetrische sei, stimme so nicht. Denn auch der Unternehmer habe seine Herausforderungen, sei dem Kunden verpflichtet. „Es sitzen alle in einem Boot auf dem Weg, einen Erfolg zu erzielen.“

Karol Siska, Rechtsanwalt in Bratislava, warnte Österreich ausdrücklich, sich ein Beispiel an seinem Heimatland zu nehmen. Der Arbeitnehmer sei dort gleichsam einbetoniert und fast unkündbar. Unternehmer würden zögern, neue Arbeitsplätze zu schaffen. „Flexibilität darf nicht unter der Sicherheit leiden“, warnte Siska, sonst sei die Sicherheit nämlich nichts wert.

Für Rupert Dollinger, Personalverantwortlicher im Erste-Bank-Konzern, haben die Österreicher ein gestörtes Verhältnis zu variablen Entgeltbestandteilen. Eine Abkehr von diesem starren Prinzip sei aber wünschenswert. Ebenso auf der Wunschliste des Bankenvertreters: großzügigerer Umgang mit Niederlassungsbewilligungen, mehr Gestaltungsmöglichkeit mit Arbeitgeber-Aktien und eine steuerliche Anpassung an die starke Konkurrenz der Flat-Tax-Nachbarländer. Walter Neubauer, Referatsleiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, berichtet von Plänen einer Neukodifizierung des Arbeitsrechts, um der Zersplitterung und schweren Vermittelbarkeit der Materie entgegenzuwirken. Derzeit warte man auf einen Vorschlag der Sozialpartner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.