Meteorologie: Golfstrom erhebt sich in die Lüfte

(c) F. Araki, S. Kawahara, ESC JAMSTEC
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Meeresströmung hat übersehene Wirkung auf die hohe Atmosphäre.

Der Golfstrom ist Teil der globalen Wärmeverteilungsmaschinerie der Ozeane („conveyor belt“), er bringt Europa warmes Wasser, das am Beginn seiner Reise im Nordatlantik als kaltes Wasser in die Tiefe stürzt, nach Süden zieht, um Afrika herum, durch den Pazifik und zurück, hinüber nach Südamerika. Dort kommt das Wasser an die Oberfläche und wird warm, es zieht hinauf nach Norden, an Florida vorbei, dann schräg durch den Atlantik Richtung Europa. So bringt uns der Golfstrom Wärme, wie viel, ist umstritten.

Wenn er sich abschwächt oder zum Erliegen kommt, wird es bei uns kalt, das ist eine der Sorgen um den Klimawandel, er könnte die Meeresströmungen abreißen lassen. „Globale Erwärmung, regionale Abkühlung“ heißt das Szenario, es geht so: Durch die Erwärmung kommt mehr Schmelzwasser in den Nordatlantik, das ist (mangels Salz) weniger dicht, es sinkt nicht in die Tiefe. Dann kommt auch keine Wärme mehr.

„Planetare Wellen“

Das hat es in der Erdgeschichte mehrfach gegeben, aber derzeit ist das Szenario eher unwahrscheinlich, er heizt uns schon. Natürlich tut er das nicht selbst, das muss die Luft über ihm erledigen: Bisher ging man davon aus, dass sie sich bis in eine Höhe von einem bis zwei Kilometern erwärmt. Aber es geht viel höher: „Wir haben jetzt gezeigt, dass die ganze Troposphäre – die Schicht, die zehn bis 15 Kilometer über der Erdoberfläche liegt – vom Golfstrom beeinflusst werden kann“, berichtet Shang-Ping Xie, Meteorologe an der University of Hawaii, Manoa, der „Presse“: „Damit kann der Ozean große und weitreichende Einflüsse auf die Atmosphäre und das Klima haben, viel größere als früher vermutet.“ – Damit? Womit? Mit „planetaren Wellen“, das sind Winde in großer Höhe, die über tausende von Kilometern hinweg das Wetter beeinflussen. Nun werden sie also selbst mitbeeinflusst, vom Golfstrom; das Team um Xie hat es mit einer Kombinationen aus Daten (Meeresoberflächentemperatur, Wolken, Langfristwettervorhersage für Europa) und Modellen gezeigt: „Es ist bemerkenswert, wie die Winde in zehn Kilometern Höhe und die Winde darunter und die Wolken alle die gleiche Struktur zeigen und mit dem Golfstrom mäandern“, erklärt Team-Mitglied Shoshiro Minobe (Hokkaido University).

Und es ist folgenreich: „Die Stärke des Golfstroms kann auf diesem Weg das Klima über Europa mitbestimmen“, schließen die Forscher (Nature 452, S.206). Wie? Welches Wetter bringt uns der Golfstrom in seiner heutigen Stärke auf dem bisher übersehenen Weg über die hohe Atmosphäre? Und welches wird er uns auf diesem Weg bringen, wenn er sich doch abschwächt?

„Über spezifische Effekte für Europa können wir noch nichts sagen“, erklärt Xie: „Aber unsere Ergebnisse deuten darauf, dass das Heizen der hohen Atmosphäre durch den Golfstrom helfen könnte, mehr Winterstürme nach Zentraleuropa zu lenken. Gleichzeitig könnte die Zahl der Winterstürme im Mittelmeerraum dadurch reduziert werden. Aber das sind sehr vorläufige Resultate, wetten würde ich darauf nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2008)

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