Bernie Ecclestone: Der mächtigste Puppenspieler der Gegenwart

(c) AP (Oliver Multhaupt)
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Formel 1. Ohne Bernie Ecclestone geht in der Milliarden-Liga nichts, der 78-jährige Brite lenkt, denkt, bestimmt und gewinnt immer.

MELBOURNE (finne). Schon im Kindergarten, so übermittelt es eine der unzähligen Biografien, soll der Brite Bernie Ecclestone bereits erfolgreich mit Kaugummis, Radiergummis und Farbstiften gehandelt haben. Später wurden es Pumpen, Reifen, Fußbälle und Gebrauchtwagen. Heute jongliert der 78-Jährige mit Dollar-Milliarden, spielt mit TV-Verträgen und Sponsoren. Tanzen Politiker nicht nach seiner Pfeife, lacht er sie aus und streicht ihre Nation kurzerhand aus dem Kalender. Als Mastermind der Formel 1 kann er es sich leisten, nur er bestimmt, wo es lang geht. Wer sein Partner ist, hat nichts zu befürchten. Wer sein Feind ist, fliegt sofort raus und darf sich trotzdem noch sündteure Eintrittskarten für den PS-Zirkus kaufen.

Pate, PS-Napoleon, Zampano

Für Bernie Ecclestone zählt nur der Erfolg. Selbst wenn er Seifenkisten-Rennen vermarkten müsste, sie wären vermutlich auch auf einem TV-Kanal wöchentlich live zu sehen. Dieses einzigartige Talent verlieh ihm 1971 auch die Kraft, den damals unorganisierten Haufen von Teamchefs, Mechanikern und Grid-Girls in der FOCA, der Formula One Constructors Association, zu vereinen. Das war der eigentliche Beginn der Formel1, wie wir sie heute kennen.

Der „Pate“, „Zampano“ oder „PS-Napoleon“ getaufte Brite gewann fortlaufend an Macht und achtete darauf, dass alle, vorwiegend natürlich seine Geschäftsinteressen tunlichst umgesetzt werden. Um etwaigen Konflikten vorzubeugen, half er tatkräftig dabei mit, seinen Freund Max Mosley als Präsident des Automobil-Weltverbandes FIA zu installieren.

Als Teilhaber und Geschäftsführer der Vermarktungsfirma SLEC hätte Ecclestone längst ausgesorgt. Der Umsatz soll sich jährlich auf über zwei Milliarden Dollar belaufen. Mit der Inhaberin unterhält der als geizig verschriene Brite auch die allerbesten Beziehungen – es ist seine Gattin Slavica. Daher auch der Firmenname SLEC.

Woher der Schulabbrecher und mäßige Rennfahrer seinen Reichtum hat, geht seiner Maxime zufolge „wirklich niemanden etwas an“. Ebenso verhält es sich bei seinem Privatleben – er schweigt, sogar über sein Geburtsdatum ranken sich Mythen. Dass der kleine Mann (1,60 m) privat aber durchaus zahm ist, kann aufgrund des Auftretens seiner Frau (1,82 m) getrost vermutet werden. Der mitunter bescheidene Top-Manager („Ich brauche nur mein Steak und meinen Learjet“) fürchtet auf diesem Planeten ja auch niemanden, außer ihr. Er sagt: „Wenn sie mich verlässt, bin ich pleite...“

„Die Formel 1 bin ich!“

Stellen sich Bernie Ecclestone tatsächlich Widersacher in den Weg, die ihre eigene Rennserie gründen wollen, holt er sie schnell „mit ein paar Dollar mehr“ wieder an Board seiner Formel 1. Als ihm die EU mit dem Tabak-Werbeverbot drohte, das Geschäft zu vermasseln, erhielten postwendend Länder in Nah- und Fernost einen Grand-Prix. Alternativen hat der Mann mit der grauen Reindl-Frisur schließlich genug. „Formel 1 und Demokratie passen nicht zu einander – die Formel 1 bin ich!“

An diesem Szenario dürfte sich so schnell auch nichts ändern. Wenn also am Sonntag die F1-Saison 2008 in Melbourne anhebt, wird Herr Ecclestone wieder in seinem in erster Reihe schräg geparkten Luxusbus sitzen und in die Kameras blicken, die jede Bewegung im „Paddock-Club“ oder der Boxenstraße aufzeichnen. Er will ja wissen, wer sich wo auf seiner Spielwiese bewegt. Auf der Rennstrecke weiß er es ohnehin seit 1971 auf den Punkt genau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2008)

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