NS-Bücherraub: Bibliotheken durchforsten ihre Bestände

(c) (Fabry Clemens)
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Eine Tagung und zwei Ausstellungen widmen sich dem Thema. Mehrere hunderttausend Bücher wurden untersucht. 2.400 Bücher restituiert.


Die Restitution von unter dem NS-Regime geraubtem Kunst- und Kulturgut aus jüdischem Besitz betrifft auch die Bibliotheken des Landes. Die Universitätsbibliothek Wien startete im Jahr 2004 ein Projekt zur Provenienzforschung. Die Wienbibliothek im Rathaus durchforstet seit 1999 ihre Bestände nach Büchern, die unrechtmäßig in ihren Besitz gekommen sein könnten. Gemeinsam veranstalten die Einrichtungen von 25. bis 27. März eine internationale Tagung unter dem Titel "Bibliotheken in der NS-Zeit" in Wien und eröffnen zwei Ausstellungen zum Thema.Die Tagung zum Bücherraub und zur aktuellen Provenienzforschung erfolgt in Kooperation mit der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare und der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich. Seit den 1990er Jahren ist das Schicksal von in der NS-Zeit entzogenem Kulturgut verstärkt Gegenstand von Provenienzforschung in österreichischen und deutschen Bibliotheken.

UB Wien macht den Vorstoß

"Die Universitätsbibliothek Wien stellt sich als erste Universitätsbibliothek Österreichs aktiv der Aufarbeitung ihrer Geschichte während der NS-Zeit und der kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Beständen", so die Direktorin der Universitätsbibliothek Wien und Initiatorin des Projekts zur Provenienzforschung, Maria Seissl.

Bisher wurden mehrere hunderttausend Bücher auf Einträge, Stempel, Exlibris und andere Hinweise gesichtet, um geraubte Bücher zu lokalisieren. Ziel ist ihre Restitution an die rechtmäßigen Erben.

2.400 Bücher zurückgegeben

In der Wienbibliothek werden seit 1999 Erwerbungsvorgänge, Akten und Druckwerke der Jahre 1938 bis 1946 und teilweise darüber hinaus hinsichtlich ihrer Vorbesitzervermerke überprüft. "Knapp 2.400 inventarisierte Objekte und 24 zuvor nicht erschlossene Kartons wurden bisher an die Rechtsnachfolger der ursprünglichen Eigentümerinnen und Eigentümer restituiert", so Sylvia Mattl-Wurm, Direktorin der Wienbibliothek.

Anlässlich der internationalen Tagung starten Ende März auch zwei Ausstellungen zum Thema: Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Wien beleuchtet "Bibliotheken der Universität Wien in der NS Zeit. Bücherraub. Provenienzforschung. Restitution" (26. März bis 24. Mai 2008), jene der Wienbibliothek thematisiert "Bedenkliche Erwerbungen. Zur Provenienzforschung in der Wienbibliothek" (28. März bis 29. August 2008).

Medizin-Bibliothek: Viel aufzuarbeiten

Seit Mai 2007 befasst sich auch die Medizinische Universität Wien (MUW) im Rahmen eines Projektes mit Provenienzforschung. Im Zentrum der Untersuchung steht derzeit die Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin. Ihr ehemaliger Institutsleiter Fritz Lejeune (1892-1966) kooperierte eng mit den im NS-Bücherraub involvierten Buchhändlern und erwarb so Bücher mit problematisch anzusehender Herkunft für das Institut, erläutert der Projektleiter Walter Mentzel im MUW-Newsletter (Februar-Ausgabe).

Bisher wurden 23.000 der rund 170.000 Bücher des historischen Bestandes der Zweigbibliothek für Geschichte der Medizin und der Hauptbibliothek der Unibibliothek geprüft. Rund 1.000 Bände könnten dabei nach ersten Ergebnissen aus Raub- und Enteignungsvorgängen unter dem NS-Regime stammen.

(APA)

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