Steuerverfahren: Anwälte und Wirtschaftsprüfer in der gleichen Liga

Foto: Clemens Fabry
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In Steuersachen erreichen beide Berufsgruppen mit Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof vergleichbare Erfolgsquoten.

WIEN. Jahrzehntelang durften in Abgaben- und Abgabenstrafverfahren nur Rechtsanwälte vor dem VwGH vertreten. Seit 1. 7. 1999 haben auch Wirtschaftsprüfer diese Befugnis, die schließlich mit 1. 9. 2005 auf Steuerberater ausgedehnt wurde. Welche Auswirkungen hat diese Änderung? Sind Wirtschaftsprüfer genauso erfolgreich oder gar erfolgreicher als Anwälte? Eine vom Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU gemeinsam mit dem Department für Statistik und Mathematik durchgeführte und nunmehr in Buchform veröffentlichte Studie widmet sich diesen und anderen Fragen der Rechtsprechung des VwGH zum Steuerrecht. Alle in den Jahren 2000 – 2004 ergangenen abgabenrechtlichen Erkenntnisse wurden ausgewertet und nach Unterschieden in Hinblick auf Steuerarten, Senate, Regionen, Behördentypen (Unabhängiger Finanzsenat oder die früher zuständigen Finanzlandesdirektionen) und andere Kriterien untersucht.

Anwälte in absoluten Zahlen vorn

Der Anteil der von Wirtschaftsprüfern eingebrachten Beschwerden beträgt im Untersuchungszeitraum meist jeweils zwischen 10 und 20% aller abgabenrechtlichen Beschwerden. Die Vertretung vor dem VwGH ist somit auch in Abgabensachen nach wie vor eine Domäne der Anwälte. Gleich im ersten halben Jahr, in dem Wirtschaftsprüfer vertreten durften, entfielen auf sie allerdings bereits 15% der Beschwerden in Steuersachen. Die neue Befugnis der Wirtschaftsprüfer wurde somit von Anfang an angenommen. Einige Wirtschaftstreuhänder verfügten jedoch möglicherweise schon vor 1999 über entsprechende Erfahrungen. Sie haben dem Vernehmen nach bereits damals Rechtsanwälte bei der Erarbeitung von VwGH-Beschwerden unterstützt und gelegentlich Entwürfe konzipiert. Auch heute mag es derartige Fälle geben, die in der Statistik dann ausschließlich Rechtsanwälten zugerechnet werden. Umgekehrt werden auch von Wirtschaftstreuhändern eingebrachte Beschwerden mitunter zuvor von Anwälten durchgesehen.

In 25% der von Wirtschaftsprüfern eingebrachten Beschwerden geht es um Einkommensteuerrecht. Bei Rechtsanwälten beträgt der Anteil dieser Steuer – bezogen auf die von dieser Berufsgruppe insgesamt auf dem Gebiet des Abgabenrechts vertretenen Fälle – nur 17,8 % (s. Grafik). In dem von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägten Einkommensteuerrecht gelten somit auch auf höchstgerichtlicher Ebene Wirtschaftstreuhänder als besonders kompetent. Allerdings ist der Anteil von Beschwerden auf den Gebieten der Umsatzsteuer und der Körperschaftsteuer bei beiden Berufsgruppen annähernd gleich hoch. Die wirtschaftliche Anknüpfung auch dieser Steuern hätte eher erwarten lassen, dass diese Materien bei Wirtschaftsprüfern eine größere Rolle spielen.

Rechtsanwälte wenden sich angeblich im Steuerrecht schwerpunktmäßig den Rechtsverkehr-steuern zu. Die zivilrechtliche Anknüpfung spielt dort eine wesentliche Rolle. Rechtsanwälte würden sich auf diesem Gebiet im Vergleich zu den vielfach über kein rechtswissenschaftliches Studium verfügenden Wirtschaftsprüfern sicherer fühlen. Die vorliegenden Daten können diese These aber nicht bestätigen: Grunderwerbsteuerliche Beschwerden machen bei Rechtsanwälten 1,6%, bei Wirtschaftsprüfern 1,2% aus, gebührenrechtliche Verfahren bei Rechtsanwälten 1,2%, bei Wirtschaftsprüfern sogar 3%. Offenbar scheuen Wirtschaftsprüfer nicht davor zurück, auch Beschwerden auf dem Gebiet der Rechtsverkehrsteuern einzubringen. Vergleichsweise stark konzentrieren sich Anwälte hingegen auf das Gebiet der Landes- und Gemeindeabgaben.

Pyrrhussiege keine Seltenheit

Ob Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer ihre Klienten vor dem VwGH erfolgreicher vertreten, lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten. „Erfolg“ ist vor dem Höchstgericht schwer zu quantifizieren. Eine Aufhebung durch den VwGH hindert die Behörde im fortgesetzten Verfahren nicht, den Sachverhalt neu festzustellen, sodass der neu erlassene Bescheid für den Steuerpflichtigen nicht unbedingt vorteilhafter sein muss. „Pyrrhussiege“ sind vor dem VwGH daher nicht selten. Zurück- und Abweisungen sind hingegen klare Niederlagen. Der Anteil an Zurückweisungen ist bei Wirtschaftsprüfern mit 4,2% nur unwesentlich höher als jener bei Rechtsanwälten mit 3%. Bei von Wirtschaftsprüfern eingebrachten Beschwerden macht der Anteil von Abweisungen 59,7% aus und ist somit sogar etwas geringer als jener bei Rechtsanwälten (61,2%). So gesehen sind die Erfolgsquoten beider Berufsgruppen durchaus vergleichbar.

Univ.-Prof. Dr. Michael Lang ist Vorstand des Instituts für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU. Das Buch Hornik/Lang/Mamut/Nagel, Die Rechtsprechungspraxis des VwGH in Abgabensachen – Eine Analyse der Jahre 2000–2004, ist soeben bei Linde in Wien erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2008)

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