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dEUS: Wer braucht Chemie?

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Tom Barman von der Band dEUS jedenfalls nicht – sonst wäre er kein Musiker. Wie er lernte, mit dem Begriff Art Rock zu leben, was er gegen Video-Drehs hat und was ein guter Kapitän macht, erzählt er im Interview.

Das mit der Musik ist Tom Barman ein bisschen passiert. Weil er beim Chemietest geschummelt hat. Und er aus diesem Grund von der Filmhochschule geflogen ist und sich fortan seiner zweiten Liebe, der Musik, gewidmet hat. Zwei Monate später hatte er dann mit seiner Band dEUS 1994 den ersten Plattenvertrag in der Tasche. Und das gleich nach ihrem ers-ten Gig außerhalb Belgiens, wo sie eigentlich als Vorband für "Girls Against Boys" spielen sollten, die damals als die "nächsten Nirvana" gehandelt wurden. Allerdings waren es dann dEUS, die unter Vertrag genommen wurden.

Heute, 15 Jahre und sechs Alben später, amüsiert sich Frontman Tom Barman noch immer über die Geschichte. Dass er für Chemie damals nicht mehr gelernt hatte, bereut er nicht. "So ein Mist. Wer braucht schon Chemie?", sagt er und zieht an einer der vielen Zigaretten beim Interview in einem Wiener Hotel. Dass er im Herzen noch immer Filmemacher ist, verheimlicht der 36-jährige Musiker nicht. Wenn man Tom Barman nämlich fragt, was er lieber hätte, einen Grammy oder einen Oscar, sagt er ohne zu zögern, "einen Oscar". "Aber eine Goldene Palme wäre schon nett", fügt er dann schnell hinzu und erzählt davon, wie er vor drei Jahren seinen ersten Spielfilm "The Way The Wind Blows" beim Festival in Locarno vorgestellt hatte. 6000 Leute seien auf der Piazza Grande gewesen, um den Film zu sehen. Argwöhnisch hätte er jeden beobachtet, der früher gegangen wäre, und dann war da noch diese Frau, die ihm einen nach oben gestreckten Daumen gezeigt hätte, worauf er sich bedankte, bis sich herausstellte, dass die Dame nur Feuer für ihre Zigarette wollte.

Avantgardistische Schräglage.

Seine Filmleidenschaft hat Barman immer ausgelebt. Als die Band ihre ersten Videos drehte und die Plattenfirma einen Regisseur suchte, sagte er, "Ich mach‘s!" 15 Videos hat er gedreht, auch wenn er darauf heute keine große Lust mehr hat: "Ich muss dauernd herumrennen, während die anderen Zeitung lesen, sehe meist scheiße aus und vergesse in der Hektik die Songtexte und dann können wir die meisten Einstellungen nicht verwenden."

Dass dEUS am Anfang ihrer Karriere gerne als Art Rock bezeichnet wurden, nur weil einer aus der Band mal auf einer Kunsthochschule war, hat Barman lange gestört. Alben wie "The Ideal Crash" wurden eher als Film-Noir-Musik denn als Pop bezeichnet oder den Songs zumindest eine "avantgardistische Schräglage" attestiert. "Ein Journalist meinte einmal, dass für sie Art-Rock-Bands wie Velvet Underground oder Roxy Music wären. Ab da war es okay, Teil davon zu sein", erklärt Barman und lacht.

Vielleicht lag es auch daran, dass dEUS mit ihrer Kunst des unerwarteten Stimmungswechsels aus Lärm und Melodie anfangs für ratlose Kritikergesichter sorgten. Immerhin schafften sie erstmals einen Stil, der ein ganzes Jahrzehnt die Musik Belgiens prägte. "Bei uns herrschte damals in Sachen Musik Anarchie. Unser jetziger Gitarrist Mauro hat einmal gesagt, dass die Amerikaner mit Elvis aufgewachsen sind, die Briten mit den Beatles und wir hatten Plattenläden", so Barman. Die so typischen Klischees von Sex, Drugs and Rock'n'Roll haben sie trotzdem nicht ausgelassen. "Nennen Sie mir eines und wir haben es garantiert erlebt: Drogen, Sex und Nervenzusammenbrüche." Die wirklich schlimme Zeit für dEUS kam erst zu den Aufnahmen von "Pocket Revolution" 2004. Nach fünf Jahren Auszeit herrschte in der Band ein Kommen und Gehen. Stef Camil Carlens kümmerte sich um seine Band Zita Swoon, Craig Ward schied aus gesundheitlichen Gründen aus, Rudy Trouvé gründete die Band Dead Man Ray und Danny Mommens war mit seinem Musikprojekt Vive la fête der Darling der Fashion-Szene. "Es war vor allem ein Egoproblem", erklärt Barman. "Plötzlich war es nicht mehr okay, dass ich der Frontman bin." Studioaufnahmen wurden unterbrochen, die Tour abgebrochen und bandintern kam es zu Handgreiflichkeiten. Gegangen seien die ehemaligen Bandmitglieder schließlich freiwillig. "Okay, einen hab ich rausgeschmissen", gibt Barman dann doch zu.

Nur ein Kapitän.

Heute besteht die Band neben Barman aus Keyboarder Klaas Janzoons, Schlagzeuger Stephane Misseghers, Gitarrist Mauro Pawlowski und Bassist Alan Gevaert. Als Frontman hat Barman die Zügel fest in der Hand. "Ich gebe den Ton an, allerdings tue ich nichts gegen ihren Willen. Aber ein Schiff mit fünf Kapitänen fährt auch nicht. Wenn jeder in eine andere Richtung will, sinkt es."

Bleibt nur noch zu fragen, was denn aus Scott McCloud wurde, Frontman von "Girls Against Boys". „Er schreibt an einem Buch über den Punk Rock und die alternative Bewegung der 90er-Jahre mit all ihren Typen, Drogen, Korruptionen und Selbstmorden. Das wird vielleicht das Aufdeckerbuch der Plattenindustrie", meint er begeistert. Barman selbst arbeitet gerade an der Filmadaption eines Buches. Mehr verrät er nicht. Irgendwie wäre es nicht verwunderlich, wenn das Buch von McCloud verfilmt und im Abspann stehen würden: Regie: Tom Barman.


Tipp:
dEUS "Vantage Point" (Universal)
Live am 11.5. im Wiener Flex
www.deus.be

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