Norma führte die Sichel stoisch

Bellinis „Norma“ konzertant und ohne Edita Gruberova: Die solide Maria Pia Piscitelli sprang ein, für einen Abend, der ohne Hauptattraktion nur mäßig überzeugte.

Donnerstag, der 8. Mai 2014, wird nicht als großer Tag in die Annalen der Bundestheater eingehen. Am Vormittag überraschte der Holding-Chef mit einem massiven Bilanzverlust, am Abend bat man zu einer konzertanten „Norma“ in die Staatsoper, mit der es das Schicksal auch nicht wirklich gut meinen wollte. Ursprünglich hätte Edita Gruberova mit einer ihrer späten Belcanto-Paraderollen ihr Publikum in den Bann schlagen sollen. Ein Beinbruch, den sie sich Ende April zuzog, machte einen Strich durch diese Rechnung: Gruberova musste die für sie angesetzte Serie von vier Vorstellungen absagen, die Staatsoper eine neue Interpretin für Bellinis Druidenpriesterin finden.

Keine leichte Aufgabe, denn die Opernwelt war noch nie mit einer großen Dichte an überzeugenden Interpretinnen dieser Partie gesegnet. Mit Maria Pia Piscitelli hat man zumindest einen ganz guten Ersatz gefunden. Sie stammt aus Apulien und tritt mit einem breiten Repertoire von Mozart über Bellini, Donizetti, Rossini bis zu Verdi und Puccini an Häusern in Barcelona, Venedig, Berlin, Bratislava, aber auch in Lima und Buenos Aires auf.

Piscitelli bestand mit Anstand

Mit der Norma kam sie nun zu ihrem Staatsopern-Debüt und wagte sich in die Arena, die auf Gruberova ein- und abgestimmt war. Sie bestand diese Feuertaufe mit Anstand, dank ihrer geraden, mit einem dezent dunkel-herben Einschlag getönten Stimme, führte bei „Casta Diva“ stoisch die Sichel, um die heilige Mistel zu schneiden, bewältigte auch ihre Koloraturaufgaben ordentlich. Weniger punkten konnte sie dagegen mit ihrer nicht übermäßig großen Stimme in Sachen Attacke. Auch die Höhen ihres vor allem in der Mittellage am überzeugendsten anspringenden Soprans landeten keineswegs immer ganz auf den geforderten Plätzen.

Dieses Problem plagte auch die recht kompakte Nadia Krasteva als Novizin Adalgisa, deren Stimme es noch dazu an der nötigen Geläufigkeit für ihre Partie mangelte. Wodurch insgesamt und besonders in den beiden Duetten der Druidendamen sich die von Bellini notierten Töne immer wieder im Nebel des gallischen Waldes verirrten...

Mit weitaus stabilerer Konstitution waltete Druidenoberhaupt Oroveso dank des wohltönenden Baritons von Dan Paul Dumitrescu seines Amtes. Zusammen mit dem gut studierten Chor sorgte er für die stabilsten gesanglichen Momente des Abends. Die Erschütterung hielt sich diesmal in Grenzen, als dann der römische Feldherr Pollione am Ende mit Norma auf den Scheiterhaufen musste. Massimo Giordano plagte sich mit seinem trockenem flackrigem, kehligem Tenor mutig, aber für die Zuhörer mäßig erbaulich durch seine Rolle. Ohne bemerkenswertere Akzente brachte der zweite Staatsopern-Debütant, Dirigent Andriy Yurkevych, die Sänger und das willig mitgehende Orchester durch den Abend. In jedem Fall wird diese „Norma“-Serie viel schneller Vergangenheit sein als der Bilanzverlust der Bundestheater.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2014)

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