Migration wertet Städte auf

Marc Hill analysierte den Blick auf Einwanderungsviertel einst und jetzt und suchte nach Möglichkeiten einer positiven Umdeutung.

Niemand würde Marc Hill einen Migranten nennen. Dabei ist er Ausländer, erst vor ein paar Jahren nach Klagenfurt gezogen. Doch das Wort ist stark negativ besetzt – es wird auf Deutsche nicht angewendet (die EU fördert Mobilität, nicht Migration).

Am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Uni Klagenfurt (Betreuer: Erol Yildiz) untersuchte Hill die Bedeutung von Einwanderung für Städte. Vorurteile, fand er, sind kein neues Phänomen. Schon Friedrich Engels wetterte gegen irische Einwanderer, obwohl ohne sie der damalige Aufschwung in England nicht möglich gewesen wäre.

Transportiert werden bis heute immer gleiche Bilder: „Ausländerviertel“ etwa seien „soziale Brennpunkte“ mit Kriminalität, Drogen und ethnischen Konflikten. „Zeitungsartikel über das Bahnhofsviertel in Klagenfurt berichten von einem „riesigen Drogenumschlagplatz, dabei ist es ein idyllisches Stadtviertel“, so Hill. Das schlechte Image mache den dort Lebenden allerdings zu schaffen, spätestens, wenn sie Familien gründen. Ein anderer Bereich, der ein stereotypes Bild zeichnet, seien Bildungsberichte. „Als lägen alle Kinder mit Migrationshintergrund zwei Jahre hinter den Einheimischen.“

In Wirklichkeit sei Migration längst Normalität. Und zwar eine bereichernde, ist Hill überzeugt: Durch Fluktuation kommen neue Impulse und Ideen in eine Stadt, werden wichtige politische Diskurse geführt, wird das Klima offener und bunter. „Migration erzeugt neue Angebote, Arbeitsplätze und Denkweisen. Das zieht gerade junge und gut ausgebildete Leute an“, betont Hill. Es müsste also im Interesse jeder Stadt liegen, einen positiven Blick auf Migration zu fördern.

Doch wie den Perspektivenwechsel erreichen? „Man könnte die Stadtgeschichte als Migrationsgeschichte erzählen“, so Hill. Oder die derzeitige Bedeutung von Zuwanderung verdeutlichen: dass Wohnungen besser vermietet, Schulen gefüllt, Internationalisierung und Weltoffenheit gefördert werden. Statt abstrakter Diskurse sei wichtig, bei der Alltagserfahrung der Menschen anzuknüpfen. So ließ sich Hill in marginalisierten Stadtteilen Lebensgeschichten und Strategien im Umgang mit der Marginalisierung erzählen, die ein völlig anderes Bild von Migration zeichnen als das gemeinhin transportierte. „Sie demokratisiert und urbanisiert die Gesellschaft und ist Motor für neue Entwicklungen in der Stadt.“ Höchste Zeit, das anzuerkennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2014)

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