„Google auch in Österreich klagbar“

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Das neue EU-Urteil macht es zwar einfacher, Suchmaschinen mit Löschungsanträgen zu konfrontieren; der Erfolg hängt aber von der Abwägung im Einzelfall ab.

Wien. Was hat der Einzelne davon, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erstmals ein „Recht auf Vergessenwerden“, konkret auf Löschung alter Daten aus Suchmaschinen im Internet, anerkannt hat? Zwar erleichtert das Urteil C131/12 das Vorgehen gegen Suchmaschinenbetreiber wie den Internetgiganten Google; ob es allerdings auch zum gewünschten Erfolg führt, hängt ganz vom Einzelfall ab. Dazu die vier wichtigsten Fragen und Antworten.

1Gegen wen kann man wegen störender Treffer im Web vorgehen?

Der EuGH hat klargestellt, dass Suchmaschinenbetreiber „Verarbeiter“ von Daten sind und nicht bloß zu deren Auffinden bei anderen Verarbeitern verhelfen. Google ist damit „Verantwortlicher“ im Sinn der EU-Datenschutzrichtlinie und, wie Nino Tlapak (Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte – DBJ) ergänzt, auch nach dem österreichischen Datenschutzgesetz.

2Wo kann man gegen Verarbeiter

von Daten vorgehen?

Die vielleicht revolutionärste Erkenntnis: Gegen einen Konzern kann man überall dort vorgehen, wo Niederlassungen seinen Auftritt unterstützen. Daher kann sich im Anlassfall der Spanier Mario Costeja González auch an die Google Spain SL wenden und nicht bloß an die Google Inc. in den USA; er hatte sich 2010 darüber beklagt, dass über Google noch immer Zeitungsartikel aus 1998 abrufbar waren, in denen von seiner Pfändung durch die Sozialversicherung die Rede war. Für Anwalt Rainer Knyrim steht fest, dass man auch in Österreich gegen Google vorgehen kann: „Google hat auch in Wien eine Niederlassung, die von hier aus Werbung für ,Google AdWords‘ macht, also kann man Google offensichtlich auch in Österreich klagen.“ Vorteil: Ein Rechtsstreit vor einem österreichischen Gericht ist leichter zu führen und besser kalkulierbar als etwa in den USA. Bleibt allerdings das Problem der Vollstreckbarkeit, die in den USA fehlt.

3Was kann der Einzelne vom Suchmaschinenbetreiber verlangen?

Das ist die Kernfrage, von der ein Erfolg einer Klage – wo auch immer – abhängt. Es geht in jedem Einzelfall um die Abwägung von dreierlei Interessen, sagt Andreas Seling (DBJ): dem Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Privatsphäre, seines Rufes; den wirtschaftlichen Interessen des Suchmaschinenbetreibers; und dem Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen. Diese Abwägung je nach Art der Information (öffentliche Relevanz), Sensibilität für das Privatleben und Stellung des Betroffenen in der Öffentlichkeit muss keineswegs immer zugunsten des Einzelnen ausfallen. Nach Einschätzung des Anwalts Michael Rami kann selbst der spanische Fall, der jetzt noch vom Gericht in Spanien zu entscheiden ist, mit einer Enttäuschung für Mario Costeja González enden. In letzter Instanz könnte nämlich auch noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheiden, dass das Recht auf Informationsfreiheit vorgeht. Rami: „Es ging in dem Fall um eine ganz gewöhnliche Information über eine Versteigerung eines Grundstücks.“ Der EuGH hat sich für ein Recht auf Vergessenwerden ausgesprochen, „wenn die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder verarbeitet worden sind, nicht mehr erforderlich sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie diesen Zwecken in Anbetracht der verstrichenen Zeit nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen.“

4Kann man auch eine Löschung der Daten an der Quelle verlangen?

Nicht unbedingt. Der EuGH differenziert zwischen Suchmaschinen und primären Fundstellen, wohl deshalb, weil viele Suchen im Web mit Suchmaschinen beginnen und enden und weil die Aggregation der Daten an einer Stelle das Potenzial hat, intensiver in die Rechte des Einzelnen einzugreifen. Zeitungen können nach deutscher und österreichischer Judikatur nicht gezwungen werden, anfangs rechtmäßige Inhalte, die später jemanden stören, aus den Archiven zu löschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2014)

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