Armee greift ein: Kriegsrecht in Thailand verhängt

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Thailand, Armee(c) REUTERS (DAMIR SAGOLJ)
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Das Militär rief in Bangkok den Notstand aus, um eine Eskalation des langjährigen Konflikts zwischen Regierung und Opposition zu verhindern.

Bangkok. Thailands Armee hat in die monatelange politische Krise eingegriffen und über das gesamte Land das Kriegsrecht verhängt. Armeechef Prayuth Chan-ocha erklärte, dieser Schritt solle dazu dienen, „Recht und Ordnung“ aufrechtzuerhalten. Dabei handle es sich nicht um einen Militärputsch, fügte er hinzu. Die gewählte Regierung des Landes war nicht eingeweiht. Er betonte aber, sie befinde sich weiterhin im Amt.

Soldaten haben Stellungen an Hauptverkehrsadern bezogen und alle Fernsehsender und mehrere Zeitungsredaktionen besetzt. Sämtliche Fernsehsender mussten mehrfach ihr laufendes Programm unterbrechen, um Erklärungen der Armeeführung zu verlesen. Das Militär ordnete eine Medienzensur an. Trotz gegenteiliger Zusicherungen ähnelt die Intervention einem klassischen Putsch. Die Armeeführung erklärte, sie werde soziale Webseiten, die die Öffentlichkeit „in die Irre“ führten, schließen und deren Betreiber verfolgen. Auch die Kritik an der Verhängung des Notstands wurde verboten.

Thailand rutscht seit einigen Monaten wieder tiefer in die politische Krise, die das Land bereits seit acht Jahren überschattet. Auslöser war im Jahr 2006 ein Militärputsch gegen Premier Thaksin Shinawatra. Thaksin, der aus dem Norden des Landes stammt, hat während seiner fünf Jahre im Amt vor allem unter ärmeren Thais zahlreiche Anhänger gefunden. Mit seiner zunehmend autoritären Art hat er sich jedoch auch viele Feinde gemacht. Bangkoks traditionelle Elite sah in dem populären Politiker jedoch einen Widersacher, was der Hauptgrund für den damaligen Putsch war.

Das Problem dieser Elite: Ihr politisches Vehikel, die Democrat Party, hat seit 1992 keine landesweiten Wahlen mehr gewonnen. Thaksins Parteien siegten hingegen selbst nach dem Putsch bei allen Wahlen. Regierungsgegner haben seit November Massenproteste in Bangkok abgehalten, die vereinzelt von Gewalt überschattet waren. Ihr Kampfschrei lautet „Reformen vor Wahlen!“. Wie genau diese Reformen aussehen sollen, liegt im Dunkeln. Die Zahl ihrer Unterstützer ist seitdem drastisch eingebrochen.

Die Regierungsgegner, die überwiegend aus der Elite und Mittelschicht der Hauptstadt und aus dem Süden des Landes stammen, haben seit dem Beginn der Proteste mehrfach Ministerien besetzt und landesweite Wahlen im Februar gestört. Das Verfassungsgericht, das ebenfalls der Elite zuzurechnen ist, hat die Wahlen annulliert. Vor zwei Wochen hat dasselbe Gericht wegen einer bürokratischen Lappalie Regierungschefin Yingluck Shinawatra und mehrere Minister aus dem Amt entfernt. Ihr Bruder Thaksin lebt seit dem Putsch 2006 im Exil in Dubai.

Neuwahl für August geplant

Das drakonische Gesetz zum Kriegsrecht stammt aus dem Jahr 1914. Alle Sicherheitsbefugnisse liegen nun in den Händen der Armee. Sie könnte Militärtribunale einrichten und Personen ohne Haftbefehl festnehmen. Mitglieder des Sicherheitsapparats sind von Strafverfolgung ausgeschlossen.

Das Regierungslager scheint die weiteren Entwicklungen abwarten zu wollen. Die Anführer der Pro-Thaksin-Rothemden wiesen ihre Unterstützer an, sich der Armee vorerst nicht zu widersetzen. Ihr Führer, Jatupron Promphan, drohte für den Fall der Ernennung eines Regierungschefs mit einer Eskalation. Premier Niwatthamrong Boonsongphaisan ersuchte die Armee, „im Rahmen der Verfassung“ und gewaltlos zu handeln. Er schlug Wahlen für Anfang August vor.

Sollte die Armee sich hinter diesen Plan stellen und für eine Lösung des Konflikts einsetzen, hätte die Intervention der Armee unter Umständen eine positive Wirkung. Doch das ist mehr als unklar. Die Regierungsgegner und Teile des Senats – der etwa zur Hälfte aus ernannten Mitgliedern besteht – treten für eine zeitweilige Aussetzung der Wahlen und die Ernennung eines vorgeblich „neutralen“ Regierungschefs ein. Sollte es dazu kommen, könnte dies den politischen Konflikt endgültig zum Überkochen bringen.

AUF EINEN BLICK

Thailand. Über Nacht hatte die Armee am Dienstag das Kriegsrecht verhängt und eine Medienzensur eingeführt. Es handle sich jedoch nicht um einen Militärputsch, die Regierung sei weiterhin im Amt, lautete die Sprachregelung der Generäle. Der interimistische Premier kündigte für August Neuwahlen an, die die Opposition indes beharrlich ablehnt. Sie pocht auf Reformen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2014)

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