Nationalrat: Ein Benimmkurs für Grantige

NATIONALRAT: AUSZUG NEOS
NATIONALRAT: AUSZUG NEOS(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Der Auftakt der Budgetdebatte wurde zur Nachhilfestunde der Koalition für gute Manieren mit Präsidentin Prammer als strenger Hausherrin und ein paar Showeinlagen.

Wien. Wenn die Regierungsbank auf einer Seite so voll besetzt ist, dass Volksanwalt Peter Fichtenbauer herunterzurutschen droht, wenn 19 Kilogramm Papier und 5000 Seiten bearbeitet werden müssen: Dann beginnt im Hohen Haus, wie am Mittwoch, die Budgetdebatte. Das Besondere diesmal: Die Opposition möchte die Voranschläge für 2014/15 wegen zuletzt bekannt gewordener Nachbesserungen morgen, Freitag, gar nicht beschließen. So wird daraus statt einer Budgetdebatte ein Paukerkurs über Geschäftsordnung und gute Sitten.

• Honorige, seriöse Buchhalter:
Wer seriös wirken will, muss auf gepflegtes Äußeres achten. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka schreitet mit gediegenem grauen Anzug und Krawatte zum Rednerpult. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder gibt sich in dunklem Tuch und mit Stecktuch noch eleganter. Bei Bundeskanzler Werner Faymann und Finanzminister Michael Spindelegger sind an einem solchen Tag dunkle Anzüge praktisch verpflichtend Berufskleidung. Schließlich ist die Regierung mit dem Vorwurf der Opposition konfrontiert, es werde eine „Budgetlüge“ aufgetischt, die Zahlen wären schon vor dem Beschluss Makulatur.

• Benimmlehrer: Im Vordergrund steht bei der Koalition nicht so sehr Nachhilfe darüber, dass in den vergangenen Jahren der Budgetvollzug besser als der Voranschlag war. Vielmehr gibt es Zurechtweisungen vor allem für die Neos, die lieber an zwei Tagen statt im Plenum draußen bei den Bürgern ihren Grant kundtun (siehe S.3). „Arbeitsverweigerung“, befindet Lopatka. Spindelegger gibt den erbosten Lehrmeister: „Das ist keine Kultur, das ist schlichte Polemik gegenüber den anderen Abgeordneten des Hohen Hauses.“ Faymann hat bei Attacken der Opposition zuvor ein paar Mal kräftig schlucken müssen, ehe er diesen sachlich ins Gewissen redet: „Um sich konstruktiv zu beteiligen, muss man anwesend sein.“

• Eifrige Vorzugsschülerin: Die Frontfrau des Teams Stronach, Kathrin Nachbaur, passt ins gleiche Schema, auch wenn sie die „Schuldenmacherei“ anprangert. Nur wirkt sie trotz Business-Lady-Outfit wie eine Maturakandidatin mit angelerntem Wissen.

• Die 08/15-Nummer:
„Dilettantismus“, „zum Genieren“, „Verhöhnung des Nationalrats“, „den Leuten das Geld aus den Taschen ziehen“: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erweckt den Eindruck, er mache auf der freiheitlichen „Patrioten“-Tour für die EU-Wahl Zwischenstation, diesmal im Nationalrat. Das nicht nur, weil er betont: „Am Sonntag ist Gelegenheit, einen Denkzettel zu verpassen.“

• Mit oppositionellem Herzblut: Grünen-Chefin Eva Glawischnig redet sich richtig in Rage darüber, dass Mittel für Schulen, Unis und Entwicklungshilfe gekürzt werden und die Steuerzahler für die Hypo Alpe Adria zahlen müssen. Da stößt sie sogar das Mikrofon auf dem Rednerpult ungewollt weg. Neos-Chef Matthias Strolz ist der personifizierte Grant wegen überfallsartiger Änderungen: „Das ist nicht fair!“ Und: „Das ist ja nicht ein Lercherlschas.“

• Die strenge Hausherrin: Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) wird es nicht wegen dieser Wortwahl zu bunt, sondern wegen der angekündigten Neos-Absenz. Sie mahnt trocken, aber bestimmt, die Geschäftsordnung gelte für alle, diese sehe die Verpflichtung zur Anwesenheit vor. Nachsatz in Richtung Neos: „Sie wissen auch, dass ich es nicht exekutieren kann, das ist ihr Glück!“

• Showeinlagen: Da (TV-)Bilder mehr als tausend Worte zum Budget sagen, verlassen die Neos den Plenarsaal und hinterlassen rosa Tafeln: „Sorry, wegen Budgettricks geschlossen.“ Die ÖVP hat sich vorbereitet: Mandatare deponieren Schwimmflügerln und -reifen auf den Plätzen der pinken „Urlauber“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2014)

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