Putsch Nummer 19: Als Thailands Militär die Macht ganz an sich riss

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Armeechef Prayuth Chan-Ocha reißt die Geduld. Jetzt droht blutige Konfrontation. Die Tourismusindustrie ist vorerst kaum betroffen, es gibt noch keine Reisewarnung.

Bangkok. Die Börse in Bangkok war gerade geschlossen, als die Nachricht die Runde machte. Unter den Gegnern der Regierung, die überwiegend aus Mitgliedern der Mittelschicht und Elite bestehen, brach nach Berichten über den Putsch in Thailand Jubel aus. Die Ankündigung der Ausgangssperre löste in der Hauptstadt ein Verkehrschaos aus, als Menschen versuchten, rechtzeitig nach Hause zu kommen. Vor Hochbahn- und U-Bahn-Bahnhöfen bildeten sich lange Schlangen. Die Supermärkte waren überfüllt. Alle Schulen und Universitäten bleiben in den kommenden Tagen geschlossen.

Thailands Putsch hat mit Versicherungen begonnen, dass es sich nicht um einen solchen handle. Am Dienstag verhängte Armeechef Prayuth Chan-Ocha eigenmächtig das Kriegsrecht über das Land, die Regierung war offiziell aber noch im Amt. Auf Anordnung des Generals trafen in den vergangenen beiden Tagen im Armeeklub in Bangkok Vertreter der Gruppen und Parteien in dem Konflikt zusammen, der Thailand seit Jahren lähmt.

Donnerstagnachmittag riss dem General offenbar der Geduldsfaden: Er ließ die Teilnehmer der Verhandlungen festsetzen. Journalisten in und vor dem Gebäude wurden von Soldaten zum Teil stundenlang festgehalten. Die Armee erklärte, sie habe die Regierungsgeschäfte übernommen. Die lokalen Fernsehsender wurden gleichgeschaltet und brachten für den Rest des Tages in einer Endlosschleife Militärmusik, die von Erklärungen der Armee unterbrochen wurde.

Nächtliche Ausgangssperre


Der Putsch sei erfolgt,
um zügig „die Einheit im Land” wiederherzustellen und „die politische, wirtschaftliche und soziale Struktur des Landes” zu reformieren, verkündete Putschistenführer Prayuth später in einer Fernsehansprache. Daraufhin gab die Junta weitere Entscheidungen bekannt: Ein Sprecher hat die Namen von Personen verlesen, die sich dem Militär stellen müssen, unter anderem der Premier und sämtliche Mitglieder seines Kabinetts. Es wurde eine Ausgangssperre von 22 bis fünf Uhr verhängt. Anhänger und Gegner der Regierung, die in Protestcamps versammelt waren, wurden angewiesen, nach Hause zu gehen. Die Polizei inhaftierte die anwesenden Anführer der Proteste.

Die Militärjunta untersagte bewaffneten Militär- und Polizeieinheiten auch, ohne direkten Befehl den Standort zu wechseln. Das lässt auf den wahrscheinlichen Hauptgrund dafür schließen, dass die Armee nicht schon viel früher geputscht hat: Beobachter befürchten, dass sich Teile des Sicherheitsapparats gegen die Junta stellen könnten. Diese Gefahr hat nun drastisch zugenommen. Im weiteren Verlauf wurde auch die Verfassung außer Kraft gesetzt.

Tradition von Militärjuntas


Auf Thailand kommen jetzt
schwierige Zeiten zu. Das Land wird seit acht Jahren von einer Krise überschattet, die immer wieder zu schweren Gewaltausbrüchen geführt hat. Die Krise begann mit dem Putsch gegen den damaligen Premier Thaksin Shinawatra im Jahr 2006. Thaksin, der aus dem Norden des Landes stammt, ist bis heute bei ärmeren Thais im Nordteil des Landes – wo die Mehrheit der Bevölkerung lebt – äußerst beliebt. Während seiner fünfjährigen Amtszeit nahm er jedoch zunehmend autoritäre Züge an. Er überzog Kritiker und kritische Journalisten mit Klagen und vergab einflussreiche Posten im Staat an Angehörige und Günstlinge.

Die traditionelle Elite, die sich aufgrund ihrer Nähe zum Königshaus eine Sonderrolle zuschreibt, sah in dem aufstrebenden, umstrittenen Politiker eine Gefahr. Nach Protesten von Monarchisten in Bangkok putschte ihn das Militär 2006 aus dem Amt. Zum Entsetzen dieser Elite gewannen mit Thaksin verbündete Parteien jedoch auch alle darauffolgenden Wahlen. Zuletzt holte die bis Donnerstag regierende Pheu-Thai-Partei 2011 eine absolute Mehrheit. Thaksins Schwester Yingluck wurde Premierministerin.
Der gestrige Staatsstreich ist bereits der 19. Putsch in acht Jahrzehnten. Der erste erfolgte 1932, als progressive Beamte und Offiziere das Ende der absoluten Monarchie erzwangen. Während des Zweiten Weltkriegs driftete Thailand immer mehr in den Militarismus ab. Seitdem kam es alle paar Jahre zum Staatsstreich. 1973 und 1992 gingen Militärdiktatoren gewaltsam gegen Pro-Demokratie-Proteste vor.

Erst 1997 bekam Thailand eine halbwegs demokratische Verfassung, die zehn Jahre später freilich wieder eingeschränkt wurde. Bei den angekündigten Reformen, die Thailands neue Junta nun durchführen möchte, dürfte es sich um eine weitere Verlagerung der Macht zur alten Elite handeln.

Tourismusindustrie beruhigt


Reiseveranstalter und das
Generalkonsulat beruhigten zunächst. Generalkonsul Wolfgang Gmasz verwies auf die Erfahrung der Thais mit häufigen und in aller Regel unblutigen Militärcoups. Auch Außenamtssprecher Martin Weiss erklärte, die Lage sei ruhig. Der Mai ist keine Hochsaison für den thailändischen Tourimsus: Rund 3000 Österreicher machen derzeit in dem Krisenland Urlaub. Das Außenamt rät, sich von Menschenansammlungen fernzuhalten. Eine offizielle Reisewarnung für Thailand gibt es nicht – und daher auch keine Verpflichtung für Reisebüros, kostenlose Stornierungen zu ermöglichen. Erste Reiseveranstalter reagieren aber auf den Putsch: TUI entschied am Donnerstagnachmittag, allen Thailand-Urlaubern mit Anreise bis 30. Mai kostenlose Umbuchungen anzubieten. Das bestätigte Sprecherin Kathrin Limpel gegenüber der „Presse“.

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