Der Vorstand hütet die Speisekammer

(c) FABRY Clemens
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Wer bestimmt in einer AG, ob und wie viel an Dividende ausgezahlt wird? Und darf ein Unternehmen dafür einen Kredit aufnehmen? Hier sind die Antworten.

Wien. Seit der turbulenten ÖIAG-Aufsichtsratssitzung steht es mit der Stimmung in der Staatsholding nicht zum Besten. Der Vorstandsvorsitzende Rudolf Kemler lässt gerade prüfen, ob eine Klage gegen die ferngebliebenen Arbeitnehmervertreter wegen Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten Erfolg haben könnte.

Der Chef der Eisenbahnergewerkschaft, Roman Hebenstreit, hat eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts der Untreue eingebracht. Sie richtet sich gegen den ÖIAG-Vorstand und den Aufsichtsrat (AR). Der Vorwurf lautet, dass die ÖIAG zwischen 2008 und 2013 auf die Telekom Druck ausgeübt habe, damit diese Dividenden ausschütte, und zwar in Höhe von 1,2 Mrd. Euro. Die Telekom hat in diesen Jahren aber nur 229 Mio. Euro nach Steuern verdient. Zudem hätte sich die Staatsholding verschulden müssen. Dass damit der Tatbestand der Untreue erfüllt sein soll, hält Peter Doralt für unwahrscheinlich. Dennoch drängen sich einige rechtliche Fragen auf: etwa, wer in einem Unternehmen eigentlich bestimmt, ob und wie viel Gewinn ausgeschüttet wird. „Prinzipiell sitzt der Vorstand am Türl zur Speisekammer“, sagt Doralt. „Wenn es ein glänzendes Jahr gegeben hat und der Vorstand trotzdem die Begehrlichkeiten der Aktionäre eindämmen will, dann kann er eine freie Rücklage bilden, und der Bilanzgewinn schrumpft.“ Natürlich kann es dann zu einem Kräftemessen mit dem Aufsichtsrat kommen, wenn er den Jahresabschluss so nicht beschließen will. Aber das ist selten der Fall.

Kredit für Dividende möglich

Und ist es korrekt, Dividenden an die Aktionäre auszuschütten, wenn kein Gewinn gemacht worden ist? Das Aktiengesetz kennt einen eisernen Grundsatz, sagt Doralt. „Ich darf nur Gewinn ausschütten und keine Substanz. Die Aktionäre haben nur Anspruch auf den Betrag, der in der Bilanz als Gewinn ausgewiesen ist.“ Der ist aber nur eine Ziffer in einem Rechenwerk und noch keine klingende Münze. Selbst wenn in einem Jahr aus dem operativen Geschäft kein Gewinn erwirtschaftet wird, etwa weil viel investiert wird, aber in der Bilanz auflösbare Rücklagen vorhanden sind oder noch ein Gewinnvortrag aus den Vorjahren steht, können diese Positionen für eine Ausschüttung herangezogen werden.

Der Bilanzgewinn ist von der Liquidität der Gesellschaft zu unterscheiden: So kann in der Bilanz ein Gewinn ausgewiesen werden, die Gesellschaft verfügt aber augenblicklich nicht über ausreichend Cash, um die Dividende bar zu zahlen. Für diese Zahlung kann sie einen Kredit aufnehmen, den sie durch künftige Gewinne zurückzahlt. Nur bei extrem angespannter Ertragslage und bei mangelnder Aussicht, künftig Gewinne zu erzielen, ist die Aufnahme des Kredits, um Dividenden auszuschütten, heikel. Nämlich wenn klar ist, dass die Rückzahlung nicht erwirtschaftet werden kann, die Gesellschaft sodann insolvent wird und daher Gläubiger der Gesellschaft zu Schaden kommen. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2014)

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