Brasilianer gehen mit 55 in Pension

(c) Clemens Fabry
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Bei den Frühpensionen ist Brasilien Weltmeister. Zu diesem Ergebnis kommt eine Allianz-Studie. Österreich nimmt den Platz des Europameisters ein.

Wien. In kaum einen Land gehen die Menschen so früh bei vollen Pensionsansprüchen in den Ruhestand wie im Gastgeberland der diesjährigen Fußball-WM. Im Schnitt gehen Brasilianer mit 55 Jahren in Pension– und damit zehn Jahre vor dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter. Das geht aus einem Vergleich von 50 Ländern durch Allianz Global Investors hervor. Denn besondere Regeln erlauben es brasilianischen Männern nach 35 Beitragsjahren und Frauen nach 30 Beitragsjahren in Pension zu gehen.

Zum Vergleich: Die Österreicher gehen mit durchschnittlich 58,6 Jahren in Pension (und sind damit „Europameister“ unter den verglichenen Ländern), die Franzosen mit 60, die Deutschen mit 63, die US-Amerikaner mit 66.

Nun könnte man meinen, dass die demografische Situation in Brasilien ja günstiger ausschaut als in Österreich und das frühere Pensionsantrittsalter damit leistbar wäre. Die Studienautoren sehen das anders. Sie haben einen Nachhaltigkeitsindex der Pensionssysteme erstellt. Österreich landet auf Platz 27 und damit im schlechten Mittelfeld, Brasilien auf Platz 49 (nur in Thailand ist die Situation noch schlechter).

Demografie hilft nur bedingt

Denn die momentan sehr günstige demografische Situation in Brasilien ändert sich schnell: Während eine Brasilianerin im Jahr 1970 noch durchschnittlich 5,8 Kinder zur Welt brachte (die jetzt im Erwerbsalter, in 30 Jahren aber in Pension sind), sind es gegenwärtig nur noch 1,8 Kinder.

Das verdeckt kurzfristig die Probleme, die auf das Land zukommen: Auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren kommen derzeit nur zehn Ältere. Im Jahr 2050 werden es 36 sein. „Brasilien erlebt einen kurzen, goldenen Moment“, erklärt Renate Finke, Senior Economist bei Allianz Asset Management, in einer Aussendung.

In Österreich stehen demnach bereits jetzt 28 Ältere 100 Jüngeren gegenüber; das Land muss mit 14,1 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für staatliche Pensionen relativ tief in die Taschen greifen. Doch Brasilien wendet trotz demografisch günstigerer Lage ebenfalls schon zwölf Prozent für sein staatliches Pensionssystem auf.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Durchschnittspension aus der staatlichen Säule entspricht in Brasilien 75 Prozent des Durchschnittseinkommens. In Österreich sind es 48 Prozent, in Deutschland 41 und in den USA 40 Prozent des Durchschnittseinkommens.

Auch bei den Witwenpensionen ist das größte südamerikanische Land relativ großzügig: Während in den meisten Ländern Hinterbliebene nur einen bestimmten Anteil an der Pension eines verstorbenen Partners bekommen, erhalten sie in Brasilien fast den gesamten Betrag. Beamte können mit vollen Ansprüchen in den Ruhestand gehen. (b.l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2014)

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