MAK: Die neue Unübersichtlichkeit

Anke Loh
Anke Loh(c) Patent Pending/ Jef Jacobs
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Zum 150. Jubiläum ehrt das Museum für angewandte Kunst Personen, die es prägten, und versucht den Dialog. Das Ergebnis: eine Überforderung.

Das Museum für angewandte Kunst in Wien ist 150 Jahre alt – ein Grund zum Feiern, zum Vorzeigen der schönsten Objekte. Aber was ist schön, was ist wertvoll, welche Kriterien haben wir heute für die Kategorie des Besonderen? Eröffnet wurde das Museum als „Vorbildersammlung“, es sollte geschmacksbildend wirken für das Handwerk. Früher wurden in der heutigen Säulenhalle ganze Zimmer mit gemütlichen Fauteuils aufgebaut – das sehen wir auf den Dokumentationsfotografien in der spannenden „Nachbilder“-Ausstellung. Das Bürgertum informierte sich über aktuelle Trends. Heute können wir die Schätze der Vergangenheit bestaunen, nach Gattung oder Stil sortiert. Aber was wird morgen sein, wie können die digitalen Möglichkeiten und neuen Technologien eingegliedert werden?

Mit diesem Ballast an Fragen begannen die Vorbereitungen für die Jubiläumsausstellung. Die Kuratoren Tulga Beyerle und Thomas Geisler erfanden zwei Strategien zur Beantwortung: Statt Meisterwerke auszuwählen oder Trends zu behaupten, widmen sie 30 Vitrinen einigen Personen, die das Haus geprägt haben. Da sehen wir Objekte der Spitzen- und Eisengussschmuck-Sammlung von Berta Pappenheimer, Objekte aus der Japan-Sammlung, die Heinrich von Subold dem Haus schenkte, oder auch das Buch von Alexander Schroth, der als Leiter der Gipsgießerei einst für das Anfertigen von Abgüssen für Wanderausstellungen zuständig war. Für den zweiten Teil luden die Kuratoren neun Gäste ein, um in Dialogen Vorbildersammlungen zu schaffen. Acht der Experten schauten sich vorab die Bestände des Hauses an. Trotz aller avantgardistischen Ideen wie Open Design oder Social Design waren sie beeindruckt von der „inspirativen Kraft der Objekte“, so Geisler. Lediglich Hans-Ulrich Obrist, Ko-Direktor der Serpentine Gallery in London, kam nicht nach Wien. Er bat Designer, unvollendete Projekte einzuschicken. Seine Vorbilder-Sammlung ist ein „Mosaik des Scheiterns und Experimentierens“ (Wandtext).

Ein Jaguar E-Type samt Kommode

Aber auch die anderen wählten kaum etwas aus dem Lager. Stattdessen erstellten sie Wunschlisten von Objekten, die jetzt auf den Plattformen zu sehen sind. Während der Grafikdesigner Stefan Sagmeister gewohnt laut einen Jaguar E-Type von 1961 mit einer Kommode aus Schubladen (Tejo Remy for Droog) zusammenstellt, konzentrieren sich Dunne & Raby auf Diskussionen und zeigen vor allem Bücher. Spannend ist der Ansatz von Fashion Technologist Sabine Seymour: Sie präsentiert Mode, die variabel benutzbar ist. Allerdings keinen Anzug, der als Bildschirm für die Power-Point-Präsentation funktioniert, sondern eher hübsche Produkte wie die Kleider mit kleinen Lichtern oder leuchtende Ketten (Anke Loh zusammen mit dem Fraunhofer IZM in Berlin) – welch erschreckende Vorstellung, wenn auf Partys lauter blinkende Lichter herumgehen. Andere tun sich schwer mit Objekten, wie Gesche Joost, die über die Möglichkeiten von „Open Design“ nachdenkt. Darunter wird das Teilen von 3-D-Datensätzen und Bauplänen zusammengefasst, der Austausch von Wissen für ein Do-it-yourself-Design. Wer aber ist dann der Autor, welches Objekt soll ausgestellt werden? Auch Designkurator Jan Boelen setzt nicht auf Vielfalt, sondern konzentriert sich auf eine einzige Kommode mit drei offenen Schubladen. Solche Entscheidungen mögen radikal sein, führen uns aber zu einem zentralen Problem hier: In der demokratischen Anordnung und den Mengen von Objekten finden wir uns kaum zurecht.

Kann es inspirieren, wenn auf Kategorisierungen, Herleitungen, Zusammenhänge verzichtet wird, wir jede Brücke selbst bauen müssen? Sicher, die museumsübliche Haltung von Ehrerbietung gegenüber dem Meisterwerk passt nur noch zu wenigen Objekten. Aber das bedeutungsvolle Nebeneinander ist sehr auf Wissen angewiesen, das vermittelt werden muss. Sonst stehen wir da mit unseren ungenügenden Geschmacksurteilen. Wenn es allerdings der Status quo unserer Gesellschaft ist, in einem Museum auf Ordnungen verzichten zu können, muss eine Anleitung zur Freiheit entwickelt werden. Diese Herausforderung jedenfalls demonstriert die Ausstellung mustergültig.

„Vorbilder. 150 Jahre MAK: Vom Kunstgewerbe zum Design“, MAK, Stubenring 5, 1010 Wien, bis 5.10.2014

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2014)

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