Finanzstrafrecht: Warum Selbstanzeigen an Reiz verlieren

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Ab 1. Oktober soll auf Selbstanzeigen im Zuge von Betriebsprüfungen eine Art Strafe folgen. Viele Betroffene könnten statt dessen das Entdeckungsrisiko in Kauf nehmen.

Wien. Selbstanzeigen im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen sollen in Zukunft teurer werden. Das geht aus einem Gesetzesvorhaben hervor, das der Ministerrat bereits gebilligt hat („Die Presse“ hat berichtet). Allein für dieses Jahr erhofft sich die Regierung daraus Mehreinnahmen von rund 150 Millionen Euro.

Der Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige im Finanzstrafrecht ist dem Rechtsinstitut der tätigen Reue – bekannt aus dem allgemeinen Strafrecht – nachgebildet. Gemäß § 29 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) können Finanzstraftäter Straffreiheit erlangen, indem sie Selbstanzeige erstatten. Wird eine Selbstanzeige ordnungsgemäß und vor allem rechtzeitig eingebracht, müssen zwar die verkürzten (hinterzogenen) Abgaben samt Verzugszinsen nachbezahlt werden. Es droht aber kein Strafverfahren mit den damit verbundenen negativen Konsequenzen wie einer Geld- oder gar Freiheitsstrafe. Eine wirksame Selbstanzeige ist daher – salopp formuliert – ein günstiges Mittel, eine begangene Straftat wiedergutzumachen. Formell und materiell sind freilich zahlreiche Besonderheiten zu beachten.

Neben inhaltlichen Voraussetzungen – es müssen etwa die Verfehlungen angegeben und alle für die Feststellung der Verkürzung oder des Steuerausfalls bedeutsamen Umstände offengelegt werden – ist es unabdingbar, dass die Selbstanzeige rechtzeitig erstattet wird: insbesondere, bevor die Behörde die Tat entdeckt bzw. Verfolgungshandlungen einleitet. Für Betriebsprüfungen tritt seit jeher die Straffreiheit nur dann ein, wenn die Selbstanzeige bereits zu Beginn der Amtshandlung erstattet wird. Alles andere ist verspätet und befreit nicht von einer Strafe.

Erst im Mai 2014 hat Finanzminister Michael Spindelegger einen Strafzuschlag für Selbstanzeigen, die im Vorfeld einer Betriebsprüfung erstattet werden, angekündigt. Nun liegt die entsprechende Regierungsvorlage zur Finanzstrafgesetz-Novelle 2014 (FinStrG-Novelle 2014) vor.

Nur bei grobem Verschulden

Sie sieht vor, dass eine anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen erstattete Selbstanzeige wegen eines vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Finanzvergehens nur insoweit strafbefreiende Wirkung zeitigt, als zusätzlich zu den verkürzten Abgaben auch ein bescheidmäßig festzusetzender Erhöhungsbetrag – also ein Zuschlag zur Steuer – entrichtet wird. Die Höhe dieses Zuschlags richtet sich nach der Höhe der verkürzten Steuer (samt Verzugszinsen), wobei grundsätzlich eine Abgabenerhöhung von fünf Prozent vorgesehen ist. Übersteigt der sich aus der Selbstanzeige ergebende Mehrbetrag an Steuern 33.000 Euro, beträgt die Abgabenerhöhung 15 Prozent. Bei einem Mehrbetrag von mehr als 100.000 Euro erfolgt eine Erhöhung um 20 Prozent, bei mehr als 250.000 Euro um 30 Prozent. Eine Selbstanzeige wird jedenfalls anlässlich einer solchen Amtshandlung erstattet, wenn diese bereits angekündigt war oder sonst – etwa durch Aushändigung eines Prüfungsauftrages – bekanntgegeben worden ist. Auf bloß leicht fahrlässig begangene Finanzvergehen ist die Neuregelung nicht anwendbar. Die geplanten Regelungen der FinStrG-Novelle 2014 sollen bereits mit 1. Oktober 2014 in Kraft treten und damit schon sämtliche Selbstanzeigen umfassen, die nach dem 30. September 2014 erstattet werden.

Ob durch die geplanten Erhöhungsbeträge tatsächlich die in den Gesetzesmaterialien genannten Mehreinnahmen von insgesamt 261 Millionen Euro bis zum Jahr 2018 lukriert werden können, ist freilich zweifelhaft. Aufgrund der drohenden massiven Mehrbelastung werden nicht nur – was die Regierung bereits einkalkuliert hat – viele potenzielle Selbstanzeiger die möglichen Auswirkungen der Gesetzesänderung bereits im Sommer prüfen und gegebenenfalls sich noch vor dem 30. September 2014 selbst anzeigen. Die gestaffelten Erhöhungsbeträge sind insbesondere bei hohen Verkürzungsbeträgen der Steuerehrlichkeit nicht zuträglich bzw. in vielen Fällen sogar kontraproduktiv. Viele Betroffene werden die möglichen Mehrkosten dem Entdeckungsrisiko im Rahmen einer Betriebsprüfung gegenüberstellen und Letzteres möglicherweise in Kauf nehmen.

Überdies ist zu beachten, dass ein Erhöhungsbetrag im Gefolge einer wirksamen Selbstanzeige – zumindest wirtschaftlich betrachtet – nichts anderes als eine Geldstrafe darstellt. Faktisch wird daher durch die Novelle eine Ersatzpönalisierung trotz wirksamer Selbstanzeige geschaffen, die der Idee der Selbstanzeige als Strafaufhebungsgrund widerspricht. Schließlich stellen sich auch interessante verfassungsrechtliche Fragen wie: Sind die progressive Staffelung der Erhöhungsbeträge und die faktische Bestrafung mittels eines simplen Abgabenbescheides ohne vorangegangenes Finanzstrafverfahren überhaupt zulässig?

Einmal oder kein Mal

Neu ist auch, dass ab 1.Oktober die Straffreiheit ausgeschlossen wird, wenn Selbstanzeigen einen Abgabenanspruch betreffen, hinsichtlich dessen schon einmal eine Selbstanzeige erstattet wurde. Diese Regelung ersetzt die derzeit geltende – und erst im Rahmen der FinStrG-Novelle 2010 geschaffene – Bestimmung, wonach in solchen Fällen auf den aus der späteren Selbstanzeige resultierenden Mehrbetrag ein Erhöhungsbetrag von 25 Prozent einzuheben ist.

Dr. Franz Althuber LL.M. ist Rechtsanwalt, Partner und Leiter der Steuerrechtspraxis bei DLA Piper Weiss-Tessbach.
franz.althuber@dlapiper.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2014)

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