Martin Schulz kehrt an die Spitze des Europaparlaments zurück

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Der Kandidat der Sozialdemokraten wird für seinen Einsatz im EU-Wahlkampf mit einem Mandat für die nächsten zweieinhalb Jahre belohnt.

Brüssel/Straßburg. An sein Traumziel im Brüsseler Berlaymont-Bürokomplex ist Martin Schulz zwar nicht gekommen, doch dem SPD-Politiker ist es trotzdem gelungen, europäische Geschichte zu schreiben: Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten (S&D) bei der Europawahl Ende Mai wurde als erster Europaabgeordneter für das Amt des Parlamentspräsidenten wiedergewählt. Am gestrigen Dienstag erhielt Schulz bei der geheimen Abstimmung im Straßburger Plenum 409 Stimmen – Sozialdemokraten und Europäische Volkspartei (EVP) votierten für den Deutschen, seine drei Gegenkandidaten hatten keine Chance: Der Brite Sajjad Karim von der EU-kritischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer bekam 101 Stimmen, der spanische Links-Abgeordnete Pablo Iglesias erhielt 51 Stimmen, die österreichische Grün-Abgeordnete Ulrike Lunacek erhielt ebenfalls 51.

Die Unterstützung der EVP ist Teil eines großen Personalpakets, das die zwei größten Fraktionen im Europaparlament ausgehandelt haben – denn im Gegenzug will S&D am 16. Juli den EVP-Mann Jean-Claude Juncker zum Präsidenten der Europäischen Kommission wählen. Juncker war wie Schulz Spitzenkandidat bei der Europawahl, aus der die EVP als stärkste Fraktion hervorging.

Die Freude der Sozialdemokraten ist allerdings nicht ungetrübt, denn gemäß einer informellen Abmachung wird Schulz nur die Hälfte der fünfjährigen Amtszeit im Parlamentspräsidium absolvieren und dann gegen einen EVP-Kandidaten ausgetauscht werden – genauso wie das in der letzten Legislaturperiode der Fall war. Wer Schulz 2017 nachfolgt, ist noch nicht klar. An sich hätte der bisherige Parlamentsvize, Othmar Karas, sowohl Lust als auch gute Chancen auf das Amt, denn der ÖVP-Mandatar gilt als fachlich versiert und bestens vernetzt. Gegen Karas spricht allerdings, dass sich dann zwei deutschsprachige Abgeordnete das Amt des Präsidenten teilen würden – angesichts der Tatsache, dass die EVP mit Manfred Weber (CSU) ebenfalls einen Deutschen an der Fraktionsspitze hat, wäre die Optik etwas schief.

Italien im Aufwind

Bei den Sozialdemokraten besteht diese Gefahr nicht: Für die Fraktionsspitze ist als einziger Kandidat der interimistische Parlamentspräsident Gianni Pittella vorgesehen – eine logische Konsequenz des fulminanten Wahlsiegs der italienischen Sozialdemokraten von Premier Matteo Renzi. Seine Wahl galt gestern als reine Formsache.

Doch damit ist die Postenbesetzung noch nicht zu Ende: Neben den insgesamt 14 Vizepräsidenten des Parlaments muss noch über den Vorsitz der 20 parlamentarischen Fachausschüsse abgestimmt werden; keine zeremoniellen Ämter, denn in den Ausschüssen werden Gesetzestexte überarbeitet bzw. entworfen und anschließend dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt – ein Ausschussvorsitzender kann somit Gesetzesvorhaben beschleunigen bzw. auf die lange Bank schieben. Die personelle Besetzung der Ausschüsse soll die politischen und regionalen Gewichtungen im Plenum widerspiegeln, die ersten Weichenstellungen erfolgen am Mittwoch und Donnerstag.

Mit der Wahl von Schulz verlagert sich das Geschehen wieder in den Rat – am selben Tag, an dem das Parlament über Juncker abstimmen soll, werden die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Sondergipfel in Brüssel die restlichen europäischen Spitzenposten vergeben: Ratspräsident, EU-Außenminister und Euro-Gruppen-Chef. Auf die ersten zwei Posten haben die Sozialdemokraten bereits ihren Anspruch erhoben – was die EVP-Regierungen so nicht akzeptieren dürften. Gerüchten zufolge soll Deutschland damit einverstanden sein, dass der Posten des Außenbeauftragten an die italienische Sozialdemokratin Federica Mogherini geht. (ag./la)

AUF EINEN BLICK

Martin Schulz. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat wurde als erster Präsident des Europaparlaments in sein Amt wiedergewählt. Schulz wird sich die fünfjährige Amtsperiode mit einem Christdemokraten teilen und Ende 2016 abgelöst werden. [ Imago ]

Ulrike Lunacek. Die Abgeordnete der österreichischen Grünen ging als Präsidentschaftskandidatin ihrer Fraktion ins Rennen, erhielt allerdings lediglich 51 Stimmen. Lunacek kritisierte den Bestellvorgang von Schulz als intransparent. [ Fabry ]

Othmar Karas. Der ÖVP-Fraktionsführer und bisherige Parlaments-vizepräsident kandidiert nicht mehr für diesen Posten – und hofft stattdessen auf die Nachfolge von Schulz 2017. Gegen ihn spricht, dass auch er deutschsprachig ist. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2014)

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