Wiener Festwochen "antiquiert und unflexibel"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Frie Leysen, die nach nur einem Jahr als Schauspieldirektorin abdankt, kritisierte die Wiener Festwochen in einem offenen Brief scharf. Aufsichtsrat und Team wehren sich.

Den Wiener Festwochen fehle die Vision, Grundsatzdebatten seien unerwünscht, Arbeitsstrukturen seien "antiquiert und unflexibel", klare Zuständigkeiten gebe es keine und Entscheidungen seien untransparent: Frie Leysen, die nach nur einem Jahr als Schauspieldirektorin der Wiener Festwochen abdankte, geht mit dem Festival hart ins Gericht. In einem offenen Brief im Magazin "profil" (erschienen am Montag) erläuterte sie die Gründe für ihren Abgang:

"Um nach Jahrzehnten relevant zu sein, muss sich ein künstlerisches Projekt ständig selbst in Frage stellen und seine Arbeitsweisen hinterfragen", so Leysen. "Es bedarf einer klaren Vision, seine Struktur und Organisation müssen anpassbar und flexibel sein, um diesen in stetigem Wandel begriffenen Zielen zu entsprechen. In dieser Hinsicht versagen die Wiener Festwochen meiner Ansicht nach völlig."

Zu viele Mitarbeiter, zu wenig Kompetenz

Im Besonderen kritisierte sie die Belegschaftspolitik der Festwochen: Einstellungen und Kündigungen seien "Ergebnisse von politischem Druck und privaten Interessen". Mangelnde Kompetenz würde durch die Anstellung weiterer Leute kompensiert. Insgesamt sei das Team zu groß und die Arbeitsbelastung einzelner Mitarbeiter gering.

Die Festwochen könnten beispielhaft für ein großes europäisches Kunstprojekt sein, schreibt Leysen am Ende. Dafür müsste das Festival aber seine Struktur überdenken. Die scheidende Schauspieldirektorin verabschiedet sich mit Enttäuschung: "Es hätte ein starker Moment der gemeinsamen Neuerfindung gewesen sein können."

Aufsichtsratsvorsitzender Scholten: "Vorwurf ungerecht"

In einem weiteren offenen Brief antwortete nun der Aufsichtsratsvorsitzende der Wiener Festwochen, Rudolf Scholten. Er dankte Leysen für ihre Arbeit und bedauerte, sie nicht zum Bleiben überzeugt zu haben. Das Festival sei - was auch ihr Verdienst sei - ein Erfolg gewesen, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Schreiben. Die interne Organisation würde er gerne mit Leysen im Detail besprechen. Die Mitarbeiter hätten - entgegen Leysens Behauptung - professionell und mit viel Einsatz gearbeitet. Den "Vorwurf zur Visionslosigkeit" hält Scholten für ungerecht - er selbst habe viel Zeit damit verbracht, die Frage der grundsätzliche Rolle des Festivals "in einer sich rasch verändernden Stadt wie Wien" zu klären.

Betriebsrat: "Große Verwunderung"

Auch der Betriebsrat der Festwochen äußerte sich in einem offenen Brief. Im Namen aller Mitarbeiter zeigte sich Betriebsrätin Melanie Jamnig über die Vorwürfe verwundert - und ratlos: "Wie haben wir diese Erfolgssaison geschafft, wenn unser Arbeitspensum so gering und unser Arbeitsstil so ineffizient war? Wohin jetzt mit deinem vielen Lob und deinen anerkennenden Worten, die du uns immer wieder gesagt hast? Wie war deine herzliche Verabschiedung von uns gemeint?"

Die Briefe zum Nachlesen

>> Offener Brief von Frie Leysen im "profil"

>> Antwort vom Aufsichtsratvorsitzenden Rudolf Scholten

>> Offener Brief vom Betriebsrat der Festwochen

(kanu)

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