In Klosterneuburg spricht Papageno auch Tirolerisch!

(C) Operklosterneuburg
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Mozarts „Zauberflöte“ im Kaiserhof, familientauglich inszeniert von Isabella Gregor, musikalisch eher solide als außergewöhnlich.

Das sieht gar nicht gut aus! Aufgeregt läuft die Dienerschaft mit blutigem Bettzeug, Wasserschüsseln und Kompressen hin und her: Der Pater familias liegt im Sterben, bestellt sein Haus – und seine schon Trauer tragende Gattin lauert am Totenbett, weil es sie nach dem „mächtigen Sonnenkreis“ gelüstet. Doch nicht sie soll ihn erhalten, gibt der Moribunde unmissverständlich zu verstehen, und sorgt dafür, dass das begehrte Erbstück aus den Händen der Tochter an einen plötzlich auftauchenden Herrn gelangt, dessen Fantasiekostüm zu den Rokokovariationen der anderen seltsam quer steht: Der Konflikt ist entfacht.

Prächtig sieht es aus, das imposante, vor 900 Jahren gegründete Stift Klosterneuburg, das sich zum Jubiläum entsprechend herausgeputzt hat – und bis Anfang August auch wieder die „Operklosterneuburg“ in seinem Kaiserhof beherbergt. Nach „Don Pasquale“ und den „Lustigen Weibern von Windsor“ in den letzten beiden Sommern wagt man sich diesmal an eines der beliebtesten Werke überhaupt: Mozarts „Zauberflöte“ – und zwar durchaus zur Freude des Publikums. Doch weil man ja selbst bei Klassikern nichts mehr voraussetzen sollte, erfahren wir also schon zu den Klängen der Ouvertüre die unmittelbare Vorgeschichte, wie es etwa auch David Pountney in Bregenz gemacht hat. Mit den dort üblichen Ausstattungsorgien kann Klosterneuburg nicht mithalten – und auch gut auf dergleichen verzichten.

Sie kann sich nämlich auch so sehen lassen, Isabella Gregors Inszenierung. Die klug ersonnene Bühne von Hans Kudlich und Goldmund Friedl bildet da wortwörtlich eine hervorragende Basis, weil sie viel und sehr effektiv mit Versenkungen arbeitet. Vor allem aber bringt die erfahrene Regisseurin und Schauspielerin das Kunststück zuwege, die Handlung einerseits traditionell genug zu erzählen, sodass sie jedes Kind, jeder Opernnovize oder seltene Besucher verstehen kann und will, andererseits aber das Ergebnis durch manch mit Bedacht hinzugefügte szenische Prise auch für Kenner zu würzen: eine für Klosterneuburg bestens passende Mischung.

Sarastros Multikulti-Gesellschaft

Interessant etwa, wie die Königin der Nacht Tamino weniger mit Theaterdonner und Zauberkräften beeindruckt, als gleichsam mit den kalkuliert eingesetzten „Waffen einer Frau“ für sich gewinnt, seine Hand an ihre wogende Brust drückt, sich als schwach und hilfsbedürftig präsentiert. Und am Schluss helfen zwei Kinder die auch in Sarastros Multikulti-Gesellschaft verhärteten Fronten zwischen den Geschlechtern zu durchbrechen, Paare zu bilden – oder auch einige Dreierkonstellationen?

Sogar die leicht adaptierten Dialoge bringt Gregor fast durchwegs auf den Punkt: Gerade in ihnen brilliert Martin Achrainer, am Landestheater Linz engagiert und in Wien zuletzt als Nekrotzar in Ligetis „Grand Macabre“ in einer Produktion der Neuen Oper gefeiert. Hier stellt er als munter umherradelnder Papageno ein charmantes Hybridwesen dar, das zwischen bodenständiger Naivität, Clownerie und manchem Tiefsinn changiert – und lässt sprachlich neben einigen in einwandfreiem Wienerisch absolvierten Sätzen auch Tiroler Obertöne hören: Vögel gibt es schließlich überall.

Sängerisch gewann Achrainers Bariton im Lauf des Abends an Lockerheit und Wärme – beileibe nicht die Regel in dem sonst eher durchschnittlichen Ensemble. Valda Wilson als Pamina lieferte am Premierenabend vielleicht einige der blühendsten, aber auch etliche angestrengte Töne, Ilker Arcayürek konnte als Tamino nicht einlösen, was sein Fenton letztes Jahr versprochen hatte, Antje Bitterlich als Königin fehlte es bei den Koloraturen an Treffsicherheit, Johannes Stermann tönte als Sarastro gleichmäßig stumpf. Und viel von jenem historisch informierten Feinsinn, den Thomas Rösner mit der Sinfonietta Baden offenbar unter günstigeren akustischen Umständen erarbeitet hat, ging im Kaiserhof verloren: der übliche Preis, der für den Sternenhimmel über der Szenerie zu zahlen ist.

Weitere Termine: 11., 12., 15., 17., 18., 23., 24. und 30.Juli, 1.August, jeweils 20 Uhr. Vorstellungen für Kinder: 20. und 27.Juli, 18 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2014)

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