Srebrenica: Gericht macht Niederlande mitverantwortlich

Nach wie vor werden Opfer des Massakers identifiziert und begraben
Nach wie vor werden Opfer des Massakers identifiziert und begrabenREUTERS
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300 bosnisch-muslimische Männer und Buben wurden im Juli 1995 aus dem Lager der niederländischen Blauhelme deportiert. Sie wurden mit 7700 weiteren von serbischen Truppen getötet.

Niederlage für die Niederlange im juristischen Streit um die Verantwortung für das Massaker von Srebrenica: Ein Gericht in den Haag hat am Mittwoch den niederländischen Staat für den Tod von mehr als 300 muslimischen Männern und Buben zivilrechtlich verantwortlich gemacht. Der Staat trage Mitschuld am Tod der am 13. Juli 1995 aus dem Lager der niederländischen Blauhelme in Potocari deportierten Männer, urteilte die Richterin Larissa Elwin.

"Das holländische Bataillon hätte die Möglichkeit in Betracht ziehen sollen, dass diese Männer zum Opfer eines Genozids werden könnten und es kann mit ausreichender Sicherheit gesagt werden, dass sie am Leben geblieben wären, wenn ihnen Dutchbat erlaubt hätte, auf dem Gelände zu bleiben.

Angehörige von Opfern enttäuscht

Geklagt hatte die Vereinigung der „Mütter von Srebrenica“, in der Angehörige von Opfern des Massakers im Bosnien-Krieg zusammengeschlossen sind. Im Bosnien-Krieg hatten serbische Einheiten im Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica überrannt und rund 8000 Muslime ermordet. Die niederländischen UN-Blauhelme hatten die Enklave den Serben unter Führung des Generals Ratko Mladic kampflos übergeben.

Familienangehörige von Opfern haben sich nach dem Urteil eines enttäuscht gezeigt. "Wie ist dies möglich, dass die Niederlande für einige Menschen verantwortlich sind, nicht aber für die anderen", meinte Munira Subasic vom Verband "Mütter von Srebrenica und Zepa" in einer ersten Reaktion. "Wir werden nicht nachlassen und wenn nötig bis nach Straßburg (zum Menschenrechtsgerichtshof, Anm.) gehen", sagte Subasic.

175 weitere Opfer beigesetzt

Erst vergangene Woche wurden bei der jährlichen Gedenkfeier weitere 175 Opfer des Massakers beigesetzt. Rund 20.000 Menschen haben an der Feier am Freitag in der Gedenkstätte Potocari teilgenommen, darunter auch Bakir Izetbegovic und Zeljko Komsic, das muslimische und das kroatische Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums. Das serbische Mitglied Nebojsa Radmanovic fehlte. Auf Reden wurde zum ersten Mal verzichtet. Die Gedenkfeier hatte nach der Kranzniederlegung verschiedener Delegationen einen religiösen Charakter.

In Potocari haben bisher 6141 Opfer des Massakers von Srebrenica ihre letzte Ruhe gefunden. Namentlich sind 8372 Opfer bekannt. Etwa 7100 wurden bisher gefunden, nach dem Rest wird weiter gesucht. Sowohl das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) wie auch der Internationale Gerichtshof (IGH) haben das von bosnisch-serbischen Truppen im Juli 1995 angerichtete Massaker als Völkermord bezeichnet. Mehrere einstige bosnisch-serbische Offiziere wurden vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal zu hohen Haftstrafen verurteilt, drei von ihnen zu lebenslanger Haft.

Die Prozesse gegen die zwei hauptverantwortlichen Personen, den einstigen Präsidenten der Republika Srpska Radovan Karadzic und seinen Militärchef Ratko Mladic, sind vor dem Haager Gericht noch im Gange.

(APA/AFP/DPA)

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