ImPulsTanz: Ko Murobushi in Wien: Siehe, der Mensch tanzt! Er ist sterblich!

Ko Murobushi
Ko Murobushi(c) Osamu Awane (STAFF-TES)
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Der japanische Meister der Konzentration zeigte im Akademietheater zwei Totentänze, einen davon in einer Wiener Version.

Das ist verkehrt. Und wie verkehrt das ist! Die Tänzer, sie bewegen sich gar nicht. Sie verharren. Und sie stehen auch nicht auf den Beinen. Sie balancieren auf dem Nacken. Kopf, Beine und Arme sind streng nach hinten weggeknickt, was man von ihnen sieht, sind nur ihre bemalten, silbrigen Rücken.

Drei seltsame, glänzende Eier.

Die zu ruckeln beginnen und zu zappeln, ganz fein, man hört Geräusche. Was schlüpft denn da? Was will da heraus? Eins, zwei, drei Menschen! Ganz langsam entfalten sie sich, hier eine Hand, ein ganzer Arm, ein Fuß auch, schließlich wird der Kopf sichtbar. Dann richtet er sich auf, der Mensch, so zittrig noch, dass es ihn gleich wieder zu Boden wirft. Was ihn nicht hindert, bald einen ersten Schritt tun zu wollen, er hat es sich in den Kopf gesetzt: Er will stehen, er will gehen, er will laufen, ja, was er nicht alles will, dieser Mensch.

Am Ende finden alle drei zumindest eine Haltung, in der sie nicht mehr umkippen. Doch das ist kein Triumph. Das ist Resignation! Das Ende jeden Bemühens. Das Stück heißt „Death 1“.

Der japanische Choreograf Ko Murobushi ist in Wien bekannt, immer wieder hat er beim ImPulsTanz-Festival seine Kreationen vorgestellt. Er gilt als jener, der den Butoh – eine expressive Tanzform, die oft mit dem Trauma von Hiroshima in Verbindung gebracht wird – in Europa etabliert hat.

Die Musik ist eine grausame Macht

Seine Choreografien sind konzentriert, auch äußerlich reduziert – mehr als Sand, der von der Decke rieselt, ist hier an Bühnenbild nicht zu erwarten – und hält sich auch inhaltlich nicht mit Nebensächlichkeiten auf: Es geht um die menschliche Existenz, sie endet mit dem Tod, und keiner macht uns das so schön und so unmissverständlich und so unverdrossen klar wie Ko Murobushi. Was machen wir bis dahin? „Enthusiastic Dance on the Grave“ heißt die zweite Choreografie des Abends, im Akademietheater ist eine vorher noch nie gezeigte Wiener Version zu sehen, möglicherweise etwas vollmundig als Uraufführung angekündigt. Das Zittern des ersten Teils, hier begegnet es uns wieder: Drei Frauen und zwei Männer stehen jetzt auf der Bühne, sie tanzen nicht zur Musik, es ist vielmehr die Musik, die sie zwingt, und sie ist eine grausame Macht: Sie lässt die Körper zittern, ringt sie nieder. Und jeder Einzelne hat seine eigene Art, dem zu begegnen: Von ekstatischer Hingabe über sanften Gleichmut bis zur schieren Verzweiflung reicht die Palette.

Für alle aber gilt: Mit der Selbstbestimmung ist es nicht weit her.

In „Death 1“ sehnte sich der Mensch nach dem aufrechten Gang. In „Enthusiastic Dance on the Grave“ will er noch mehr. Er will greifen. Ergreifen. Haben. Noch am Ende, wenn alle am Boden liegen und der Lärm dröhnt, streckt er die Hände aus. Nach irgendwas. Nur was? (best)

Ko Murobushi: „Enthusiastic Dance on the Grave“/„Dead1“, noch am 30. Juli, 21 Uhr, Akademietheater.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)

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