Die Schweden haben das schönere Binnen-I

Die Schwedische Akademie hat das Wörtchen „hen“ ins offizielle Lexikon aufgenommen. Es bedeutet so viel wie „er oder sie“.

Angefangen hat es in den Sechzigerjahren: Damals kamen die Schweden auf die Idee, das höfliche Sie abzuschaffen. Ein Volk von Gleichgestellten und Gleichberechtigten brauche es nicht mehr, in Hinkunft sollte das freundliche Du reichen. So lebten die Behörden es vor, so machten die Schweden es nach, und heute sind sie angeblich stolz darauf, dass sie vom Finanzamt geduzt werden.

Aber auch an anderer Front wurde damals sprachliche Anpassung an eine veränderte Sicht auf die Welt gefordert. Der Linguist Rolf Dunås führte in einem Aufsatz das Wörtchen „hen“ ein. Es ist ein Mittelding zwischen „hon“ (sie) und han (er). Doch dafür war die Zeit nicht reif, und auch in den Neunzigerjahren scheiterte der Versuch eines Linguisten, das Wörtchen ins Schwedische zu implementieren.

2012 aber erschien ein Kinderbuch: Es handelte von Kivi und seinem bzw. ihrem Monsterhund, so genau war das nicht zu klären, denn Kivi war „hen“. Ab da ging es schnell: Immer mehr Blogs verwendeten das Wort, eine Fluglinie machte damit Werbung („businesshen“ statt „businessmen“, haha), dann schlossen sich erste Behörden an. Nun gab die Schwedische Akademie bekannt, es werde „hen“ ins Lexikon aufnehmen. „Es ist ein Wort, das in Gebrauch ist und zweifellos eine Funktion erfüllt“, erklärte Chefredakteur Sven-Göran Malmgren.

Wofür ist das „hen“ nun gut? Man verwendet es erstens, wenn man nicht weiß, ob von einem Mann oder einer Frau die Rede ist. Und zweitens, wenn eine Person sich nicht zu einem Geschlecht zugehörig fühlt. Dann ist sie ebenfalls hen. Was natürlich von jenen kritisiert wird, die finden, es sei eine Art Bürgerpflicht, ein eindeutiges Geschlecht zu haben.

Am meisten Unmut erregt aber der dritte Verwendungszweck des kurzen Wortes: der Versuch, mittels Sprache Klischees aufzubrechen. Der Handwerker ist „hen“, die Köchin ist „hen“, so kommt das Kind gar nicht auf die Idee, dass Männer besser schrauben und Frauen besser kochen können, zumal im Schwedischen zwischen Handwerker und Handwerkerin, Koch und Köchin nicht unterschieden wird.

Allen Bedenken zum Trotz, die Reaktion in den Foren der schwedischen Zeitungen sind überwiegend positiv. Vielleicht auch, weil „hen“ viel schöner ist als das Binnen-I. Das brauchen die Schweden auch gar nicht, was damit zusammenhängt, dass ihre Grammatik kein männliches oder weibliches Geschlecht mehr kennt, sondern nur ein Utrum und ein Neutrum. Daran sind nicht die Feministinnen schuld, das ist seit dem Mittelalter so.

E-Mails: bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2014)

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