Wenn Fische statt Fischmehl Kürbiskernkuchen fressen

Versuch. Am Wassercluster in Lunz am See wurde Zuchtfischen vegetarische Beikost in Form von Kürbiskernkuchen als teilweiser Ersatz für das normalerweise eingesetzte Fischöl und Fischmehl verfüttert. Mit durchwachsenem Ergebnis.

Mehr Fisch soll auf den Tisch, tönt es allerorten, doch die Nachfrage übersteigt die Mengen, die heimische Flüsse und Seen liefern können, bei Weitem. Also werden die beliebten Speisefische Forelle, Saibling und Co. gezüchtet. Das Futter dazu stammt zu einem Gutteil aus dem Meer: aus zu Mehl und Öl zermahlenen Artgenossen.

Nicht unbedingt nachhaltig also, die heimische Fischzucht, selbst wenn mancher Fischfutterproduzent darauf pocht, nur Fischreste weiterzuverarbeiten, die sonst zu Abfall würden. Angesichts überfischter Meere ist Fischöl und -mehl aber auch ein Kostenfaktor. Nach günstigen und ökologischen Futteralternativen für Aquakulturen wird also rege gesucht.

So auch am Wassercluster in Lunz am See. Von Juli 2012 bis September 2013 testete das internationale Wissenschaftlerteam um den Limnologen Martin Kainz, ob die Fischfresser auch mit pflanzlicher Kost gedeihen und – von besonderem Interesse – ob sie dabei auch die für Menschen so gesunden Fettsäuren bilden, allen voran langkettige, mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, deretwegen uns der viele Fisch ja hauptsächlich angetragen wird.

Für den Versuch wurden zwölf Tausendliterbecken mit je 100 heimischen Lunzer-See-Saibling-Babys besetzt. Nach dreiwöchiger Eingewöhnung erhielten die Fischchen eine von vier Futtermischungen: Gruppe eins fraß herkömmliches Forellenfutter, das 18 Prozent Fischöl und 35 Prozent Fischmehl enthält. Das versorgt die Tiere mit wichtigem Fett und Proteinen. Der Rest der Mischung besteht aus Getreide-, Raps- und Sonnenblumenanteilen sowie Hämoglobin aus Schweineblut und wurde in fast unveränderter Zusammensetzung allen vier Versuchsgruppen verfüttert.

In den anderen Versuchsgruppen wurde der Fischanteil am Futter kontinuierlich reduziert: Gruppe zwei bekam um ein Drittel weniger Fischmehl, dafür Kürbiskernkuchen, der besonders proteinreich ist. Bei den Gruppen drei und vier wurde das Fischöl außerdem großteils durch Rapsöl ersetzt (drei Prozent Fischöl wurden beibehalten) – das ist billig, überall verfügbar und enthält kurzkettige Omega-3-Fettsäuren. In Gruppe vier schließlich wurde das Fischmehl auf zehn Prozent reduziert und der Kürbiskernkuchenanteil verdoppelt.

Gesunde Fettsäuren bleiben

„Der Versuch lief über 415 Tage bis zur Schlachtreife“, berichtet Kainz. Das macht das Ergebnis besonders spannend, hatten die meisten früheren Versuche mit pflanzlicher Beikost doch viel kürzer gedauert. Und wirklich brachte der Versuch andere Ergebnisse: Im Gegensatz zu Kurzzeitversuchen waren die Saiblinge eindeutig kleiner und leichter, je geringer der Fischanteil ihres Futters gewesen war. In den Wintermonaten wurde der Unterschied markant. „Das weist darauf hin, dass die pflanzlichen Anteile im Futter für die Fische schwerer verdaulich sind, wenn die Temperaturen unter sechs Grad fallen“, vermuten die Wissenschaftler. Ein klarer Lichtblick: Die Kürbiskernkuchengruppe zwei war nur ein wenig kleiner als die forellenfuttergefütterten Tiere. Fischmehl könnte also zumindest bis zu einem Drittel durch ein pflanzliches und österreichisches Produkt wie Kürbiskernkuchen ersetzt werden, ohne dass große Einbußen zu befürchten sind.

Eine Überraschung brachte die Zusammensetzung des Muskelgewebes der sezierten Saiblinge. Gemeinhin wird angenommen, dass durch vegetarisches Futter der Anteil von Omega-3- und anderer gesunder Fettsäuren im Fischfleisch stark abnimmt. Doch das Labor fand keine signifikanten Unterschiede in den vier Gruppen. „Entweder haben die Saiblinge in allen Futtermischungen die relevanten Nahrungsbestandteile bekommen, oder sie können das kurzkettige Omega-3 des Rapsöls selbst effizient in langkettige Omega-3-Fettsäuren umwandeln“, ist Kainz mit dem Ergebnis zufrieden. (ave)

LEXIKON

Wassercluster Lunz. Seit dem Jahr 2006 betreiben die Universität Wien, die Universität für Bodenkultur Wien und die Donau-Universität Krems eine Forschungseinrichtung im niederösterreichischen Lunz am See: den „Wassercluster Lunz am See“. Vier Arbeitsgruppen untersuchen hier Gewässersysteme allgemein, den Lunzer See im Speziellen und führen Experimente durch. Ein weiterer Schwerpunkt: die Langzeitbeobachtung des Sees, durch die Veränderungen sichtbar und verständlich werden sollen.

Der Lunzer Seesaibling. Nach der Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren entwickelte sich aus dem Wandersaibling, der wie der Lachs zur Laichzeit vom Meer in die Flüsse aufsteigt, der an Süßwasser angepasste Seesaibling. In vielen Seen sind über die vielen Jahrtausende eigene Spielarten entstanden. Auch im Lunzer See dürften Saiblinge zusammen mit der Bachforelle schon seit der Eiszeit heimisch sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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