China: Deutsche Konzerne im Visier

(c) Bloomberg (Tomohiro Ohsumi)
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Um Chinas Kartellwächtern zuvorzukommen, senken die deutschen Autokonzerne von sich aus die Preise. Gegen Daimler gehen die Wettbewerbshüter dennoch vor.

Peking. Für die deutschen Autobauer herrschten in China in den vergangenen Jahren geradezu paradiesische Zustände. Jährlich zweistellige Wachstumsraten, eine vergleichsweise junge Käuferschicht, die äußerst markenbewusst und technikbegeistert ist, und hohe Gewinnmargen haben den Konzernen traumhafte Bedingungen auf dem weltgrößten Automarkt beschert. Doch damit könnte es nun vorbei sein.

Kartellwächter der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) haben am Montag die Daimler-Vertretung in Shanghai durchsucht. Ein Sprecher der China-Zentrale des deutschen Autokonzerns in Peking bestätigte dies am Dienstag. Zu Einzelheiten wollte man sich nicht äußern.

Eine Shanghaier Online-Zeitung hat am Montag berichtet, dass neun NDRC-Beamte das Daimler-Gebäude aufgesucht, Angestellte vernommen und Computer beschlagnahmt haben. Es handle sich um eine Antimonopoluntersuchung. Die NDRC ist in China eine mächtige Behörde, die unter anderem für die Überwachung der Preisgestaltung zuständig ist. In den vergangenen Wochen haben die chinesischen Kartellwächter ausländischen Autoherstellern mehrfach Wettbewerbsverstöße vorgeworfen. Im Oberklassensegment würden sie ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen und von ihren chinesischen Kunden vor allem bei Ersatzteilen und Reparaturen zu viel Geld verlangen. Von Wucher war in einigen Staatsmedien gar die Rede.

Die deutschen Konzerne reagierten umgehend. Audi, eine Tochter des VW-Konzerns und Chinas Branchenführer im Oberklassesegment, kündigte an, dass vom 1.August an Ersatzteile bis zu 38 Prozent günstiger verkauft werden. Audi habe die geforderte Preisanpassung „proaktiv vorgenommen“, teilte das Unternehmen mit. Daimler hat Anfang Juli die Preise für bestimmte Dienstleistungen im Nachverkauf um bis zu 20 Prozent gesenkt und zog am vergangenen Wochenende erneut nach. Der Stuttgarter Konzern kündigte an, mehr als 10.000 Ersatzteile zum 1.September im Durchschnitt um 15 Prozent zu reduzieren, bei Frontscheiben sollen die Preise gar um 29 Prozent sinken.

Hohe Margen in China

Die chinesischen Kartellwächter berufen sich bei ihren Ermittlungen auf eine Verordnung, die die NDRC bereits 2008 erteilt hat. Schon damals warf die Kontrollbehörde den ausländischen Autobauern vor, sie würden Kunden mit zu hohen Wartungs- und Reparaturpreisen über den Tisch ziehen.

An den Vorwürfen ist durchaus etwas dran. Analysten schätzen, dass allein die Gewinnmargen von Daimler bei 20 Prozent pro verkauftem Wagen liegen. In Nordamerika und Europa seien allenfalls zehn Prozent drin. Der Verkauf von Ersatzteilen verspreche gar Margen von bis zu 40 Prozent. Trotz dieser hohen Preise sind vor allem die deutschen Autobauer in China sehr erfolgreich. Wie der chinesische Branchenverband CAAM mitgeteilt hat, machen Autos von Audi, Porsche, Mercedes und BMW 80 Prozent aller verkauften Oberklasseneuwagen aus. Dass die chinesischen Wettbewerbshüter ausgerechnet jetzt gegen die deutschen Luxusautohersteller vorgehen und nicht, als das Gesetz vor sechs Jahren in Kraft getreten ist, erweckt den Verdacht, dass die chinesische Führung politische Ziele verfolgt. Auch in anderen Branchen– etwa bei Microsoft– kommt der Verdacht auf, dass die NDRC gezielt gegen ausländische Firmen vorgeht, um der einheimischen Konkurrenz den Rücken zu stärken. Sie bestreitet das offiziell.

Zumindest nach außen hin erhebt Audi diese Vorwürfe nicht. Und auch sonst ist der Branchenprimus in China um leise Töne bemüht: Unter anderem „Lokalisierungsmaßnahmen ermöglichen es Audi, die Preise für Teile in China anzupassen“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung. Audi könne so Kostenvorteile an seine Kunden weitergeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2014)

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