YouTube: Mehr nehmen als geben

A picture illustration shows a YouTube logo reflected in a person's eye, in central Bosnian town of Zenica
A picture illustration shows a YouTube logo reflected in a person's eye, in central Bosnian town of ZenicaREUTERS
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Die Onlineplattform YouTube lässt sich beim Hochladen von Videos mehr Rechte einräumen, als sie dritten Nutzern zugesteht. OGH: Zeitung darf Bilder nicht ohne zu fragen nutzen.

Wien. Der Oberste Gerichtshof (OGH) setzt der Verwendung von Bildmaterial der Onlineplattform YouTube durch Dritte Grenzen. Im Anlassfall hatte die Klägerin ein während einer Demonstration mit dem Handy gefilmtes Video von einem Polizeieinsatz auf die Plattform YouTube gestellt. Eine Tageszeitung druckte einzelne Bilder hieraus in einem Artikel über dem Polizeieinsatz ab, ohne die Einwilligung von YouTube und der Klägerin einzuholen. Die Tageszeitung berief sich dabei auf die Nutzungsbedingungen von YouTube. Der OGH kam zum Ergebnis, dass diese Nutzung in die Urheberrechte eingreift und ohne Zustimmung der Klägerin oder auch von YouTube nicht zulässig ist (4 Ob 82/14h).

Wer als Urheber ein Video auf das Videoportal YouTube hochlädt, räumt durch die Einwilligung in die Nutzungsbedingungen YouTube eine umfassende, übertragbare Werknutzungsbewilligung ein. Das bedeutet, dass der Urheber zwar selbst den Content noch an andere lizensieren und verwerten kann, aber auch YouTube berechtigt ist, den Content sehr umfassend kommerziell auszuwerten und an Dritte Rechte zu übertragen.

Aus den Nutzungsbedingungen folgt jedoch nicht, dass automatisch jeder Nutzer, der auf Videos zugreifen kann, diese umfassend auswerten darf: Den Nutzern ist nämlich nur das Streamen zu nicht kommerziellen Zwecken im Rahmen der „Funktionalität der Dienste“ gestattet, nicht mehr. Das bedeutet aber auch: YouTube sammelt zunächst mehr Rechte von den Urhebern ein, als YouTube benötigt und direkt an die Nutzer weitergibt.

Einwilligung einholen

Wer Inhalte auf YouTube anders als durch Streamen nutzen will, hat entweder den eigentlichen Urheber oder YouTube vorher zu fragen. Beides hatte im Anlassfall die Tageszeitung nicht getan, weshalb die Klägerin mit ihrem Unterlassungsanspruch durchkam.

Anderes gilt wohl beim Verlinken von Inhalten und Einbetten in die eigene Webseite (auch im Anlassfall hat der Medieninhaber das Video online verlinkt und in die Berichterstattung eingebettet, hiergegen wurde aber aus anwaltlicher Vorsicht nicht vorgegangen): Dabei bewegt sich der Nutzer wohl noch innerhalb der „Funktionalität der Dienste“ von YouTube, allerdings könnte dies als kommerzielle Nutzung angesehen werden und danach unzulässig sein. Hier ist allerdings der EuGH zuletzt in seiner Entscheidung zum Thema Verlinkung (C-466/12 – Svensson u.a) eingesprungen: Es liegt nach Ansicht des EuGH keine neue Nutzungshandlung bei einer Verlinkung vor, wenn kein neues Publikum erreicht wird und auch keine technischen Schutzmaßnahmen umgangen werden. Es ist daher keine Rechteeinräumung einzuholen. Dabei ist irrelevant, ob die Verlinkung durch Einbettung des Videos in die eigene Seite erfolgt oder auch kommerzielle Zwecke verfolgt werden. Viel spricht daher jedenfalls für die Zulässigkeit der Verlinkung und Einbettung von Streams, und zwar unabhängig von den jeweiligen Nutzungsbedingungen des Streaming-Portals. In jedem Fall unzulässig ist aber der Download oder die Portierung von Inhalten anders als in Form der Verlinkung.

Rechte weitgehend eingeräumt

Weitreichende Rechteeinräumungen wie in den Nutzungsbedingungen von YouTube sind kein Einzelfall. Für die Urheber stellt sich die Frage, wie weit er sich seiner Möglichkeiten zur eigenen kommerziellen Auswertung seiner Leistung begibt, wenn er derartige Portale zur Verwertung nutzt. Oft führt daran kein Weg mehr vorbei. Umgekehrt stehen Nutzer vielfach vor der Frage, wofür diese urheberrechtlich geschützten und vermeintlich freizügig zur Verfügung gestellten Inhalte genützt werden dürfen. Hier hat die Entscheidung ein bisschen mehr Klarheit gebracht. Zur Diskussion stand im Verfahren auch noch die dahinter stehende Frage, ob die in den Nutzungsbedingungen enthaltene Möglichkeit von YouTube, Dritten mehr oder weniger jegliche Verwertung erlauben zu können, nicht etwa an sich sittenwidrig ist. Schließlich lässt sich YouTube unentgeltlich in den Nutzungsbedingungen Rechte einräumen, welche mit den eigentlichen Diensten nichts zu tun haben und in ihrem Umfang sachlich schwer zu rechtfertigen sind.

Da die Sachlage aber im Anlassfall durch Auslegung der Nutzungsbedingungen jedoch ohnedies geklärt wurde, ließ der OGH diese Frage bewusst offen. Sie wird vor allem dann interessant, wenn Portale wie YouTube beginnen, den riesigen Bestand an gesammeltem Content in anderen Medien in größerem Stil kommerziell auszuwerten.


Dr. Harald Karl ist Partner bei Pepelnik & Karl Rechtsanwälte. Er war auf Seiten der Klägerin am Verfahren beteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2014)

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