Die Zukunft liegt an einer Kreuzung

(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Wenn heute die Wirtschaftsgespräche starten, dann bleibt zu hoffen, dass die „Navis" im Kopf abgeschaltet sind. Manchmal ist es ja ganz nützlich, andere nach dem Weg zu fragen.

Für einen, der mit dem Auto nach Alpbach anreist, ist ein Titel wie „At the Crossroads" wirklich etwas anachronistisch. Noch nie von einem „Navi" gehört? Das Navigationsgerät sagt uns doch ohnehin in Gestalt einer angenehmen Frauenstimme, wo's langgeht. Kein Scheideweg, keine Kreuzung hält uns auf. Wir schauen nicht, wir gehorchen. Und obwohl immer mehr Menschen ferngesteuert durch die Gegend zischen, baut man immer mehr Kreisverkehre, Ein- und Autobahnen, um die Sicherheit zu erhöhen. Und tatsächlich: Obwohl noch nie so viele Autos unterwegs waren, sinkt das Unfallrisiko.

Einziges Problem: Wenn es einmal kracht, dann ordentlich.
Die Parallelen zwischen Straßenverkehr und Wirtschaft sind frappant. Europas Wirtschaft leidet nach wie vor an der durch die Finanzkrise ausgelösten Massenkarambolage. Und wir basteln munter daran weiter, die Wirtschaft noch „sicherer" zu machen. Noch mehr Warntafeln, Fahrverbote und Airbags - pardon Rettungsschirme. Einziges Problem dabei: Wir kommen nicht vom Fleck.

Erst jüngst konstatierte die OECD, dass die USA Europa abhängen. Der Immobiliensektor, Auslöser der Misere, erholt sich. Die Banken schreiben wieder Gewinne. Und aufgrund der durch das umstrittene Fracking günstig gewonnenen Energie kommt die Wirtschaft besser in Fahrt.

Aber bekanntlich findet die Re-Industrialisierung in den Vereinigten Staaten auf dem Rücken der Umwelt statt. In Europa ging seit 1998 der Kohlendioxid-Ausstoß gemessen am Bruttoinlandsprodukt um 34 Prozent zurück. Mit dem verdammt teuren, bürokratischen und komplizierten CO2-Zertifikat-Handel ist dies gelungen. Dumm nur, dass im selben Zeitraum der CO-Ausstoß in den USA ebenfalls um 29 Prozent sank. Ohne teuren Emissionshandel, ohne staatliche Subventionierung nicht ausgereifter Alternativtechnologien.

Die US-Wirtschaft hat den Weg offenbar selbst gefunden. Ohne staatliches Navi und Überregulierung, sondern vielmehr mit Innovationskraft und Kreativität. Nach wie vor werden die meisten Patente in den USA angemeldet. Kein Wunder, dass große ökonomische Neuerungen von Smartphone bis Facebook durch die Bank nicht aus Good Old Europe kommen. Viele Wissenschaftler, die diese Technologien mitentwickelt haben, hingegen schon. Sie sind aus Europa „desertiert", wie es der US-Experte Ben Scott kürzlich nannte. Die USA biete nicht nur gute Arbeitsbedingungen, sondern vor allem auch mehr Verdienst, weil sich dort der Staat nicht ganz so ungeniert an den Gehältern delektiert.

Wer beim Forum Alpbach über „neue Ziele" für die Wirtschaft auf diesem Kontinent diskutiert, sollte sich auch Gedanken darüber machen, wie man die Wege dorthin von Verbotstafeln, Ampeln und anderen Bevormundungen befreit. Der Weg zu Wohlstand und Fortschritt führt nämlich über Kreuzungen und gelingt nur ohne GPS.

Wenn heute die Wirtschaftsgespräche beginnen, dann bleibt zu hoffen, dass die Navis längst abgedreht worden sind. Nicht nur die im Auto, sondern vor allem jene in den Köpfen. Die vorgefertigten Antworten und festgefahrenen Meinungen. Wie man sich da noch zurechtfinden soll? Manchmal ist es ganz nützlich, andere nach dem Weg zu fragen. Apropos: Was antworten 80 Prozent der Geisterfahrer auf die Frage, wie es dazu gekommen ist? Richtig. „Das Navi ist schuld."

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