Sabine Herlitschka: "Frauenquoten als Übergangslösung"

BILANZ-PK INFINEON AUSTRIA ´GESCH�FTSJAHR 2012/13´: HERLITSCHKA
BILANZ-PK INFINEON AUSTRIA ´GESCH�FTSJAHR 2012/13´: HERLITSCHKA(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Die Infineon-Austria-Chefin sprach mit der "Presse" über Diversität, neue Arbeitswelten und darüber, warum sie Quoten für notwendig hält.

Die Presse: Diversität ist nicht nur hier in Alpbach ein großes Thema. Wie bunt ist Infineon Austria?

Sabine Herlitschka: Diversität ist für uns nicht nur ein Begriff, wir leben das. Aus einem einfachen Grund: Wir arbeiten an komplexen technischen Fragestellungen und je vielfältiger die Leute sind, die wir für unser Unternehmen gewinnen können, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir die besten Lösungen finden. Diversität heißt bei uns nicht nur eine Erhöhung der Frauenanteils und Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern und Kulturen, auch das Thema Alter ist uns sehr wichtig. Wir versuchen da unter anderem, den Wissensaustausch von Jüngeren und Älteren zu organisieren. Volkswirtschaftlich betrachtet gibt es hier jede Menge ungenutztes Potenzial: Wir haben viele sehr gut ausgebildete Leute, die mit Ende 50 in Pension gehen? Wollen wir das? Ich bin überzeugt, dass das viele selbst gar nicht wollen.

Viele gehen aber auch in Pension, weil sie müssen: Sie sind den Unternehmern zu teuer.

Natürlich müssen sich die Rahmenbedingungen ändern. Das gilt auch für andere Bereiche. Die Arbeitswelt hat sich verändert und die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die den heutigen Anforderungen entspricht.

Entspricht die 40-Stunden-Woche im Handyzeitalter noch den Anforderungen?

Ich glaube, dass Berufliches und Privates immer mehr ineinander fließen und dass die Zeit allein kein hilfreicher Faktor mehr ist, um Arbeit zu bewerten. Es wird zunehmend darum gehen, welche Aufgaben man hat und wie man sie erfüllt. Wir sollten die Arbeitnehmer mehr nach ihrer Leistung bewerten und nicht danach, wie viele Stunden sie im Büro sitzen.

Hier in Alpbach haben Sie bei einer Präsentation gemeint: "Das Unternehmen soll ein Stück weit zur Familie werden". Ist es wirklich eine gute Idee, keine Grenze mehr zwischen Berufs- und Privatleben zu ziehen?

Ich versuche es, von einer anderen Seite zu betrachten: Arbeit hängt sehr mit unserer Identität zusammen. Work-Life-Balance hat nicht nur damit zu tun, wie viel Freizeit ich habe. Es geht auch darum, dass ich etwas mache, worin ich Erfüllung finde. Wenn ich einen Job habe, der mir Freude bereitet, dann wird es mir besser gehen und ich werde auch besser in meinem Beruf sein. Bildungsentscheidungen sind auch deshalb so wichtig. Sie sind Lebensentscheidungen.

Apropos Bildung: Um Mitarbeiter nach Villach zu locken, hat ihr Unternehmen eine zweisprachige Kindertagesstätte mit technisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkt aufgebaut. Wie kann man sich das vorstellen?

Es ist fantastisch! Ich wäre gerne in so einen Kindergarten gegangen. Da gibt es zum Beispiel ein kleines Labor und die Kinder, die zwischen eins und sechs sind, bekommen einen Arbeitskittel und sie können experimentieren, zum Beispiel mit Magnetismus Sie können sich einfach von ihrer Neugierde leiten lassen. Knapp hundert Kinder werden dort auf Englisch und Deutsch betreut, rund ein Drittel kommt nicht aus Österreich. Wir haben unglaublich lange Wartelisten. Wir sehen da einen riesigen Bedarf, hier ist sicher auch die Politik gefragt. Denn unsere Kernkompetenz ist das natürlich nicht.

Einmal abgesehen von der Kinderbetreuung, was steht auf Ihrem Wunschzettel an die - wieder einmal umzubildende - Regierung?

Arbeitszeitflexibilisierung, Lohnnebenkosten, Öffnungszeiten: All die Dinge, die dringen notwendig sind, liegen schon lange auf dem Tisch. Es gibt jede Menge Empfehlungen, von Rechnungshof, vom Wifo, man muss sie nur umsetzen. Ich hoffe, dass qualifizierte Leute damit befasst sein werden. Wir sehen, dass wir in allen Standortranking, dass wir absinken - was Innovation und Wettbewerb angehen. Der Trend ist überall der gleiche.

Der Frauenanteil bei Infineon liegt bei 15 Prozent und bei nur sechs Prozent in den Führungspositionen. Sie haben sich nun das Ziel gesetzt, den Anteil bis 2020 auf 15 Prozent zu steigen. Sollte auch die Politik über verpflichtenden Frauenquoten diskutieren?

Ich finde die Diskussion darüber generell sehr wichtig. Als ich jung war, habe ich das noch etwas andere Ansichten: Ich wollte ja keine Quotenfrau sein. Aber je älter ich werde, desto mehr sehe ich, dass sich mit dem reinen Bekenntnis, wie gut es nicht ist, Frauen in Führungspositionen zu haben, kaum etwas geändert hat. Mittlerweile glaube ich, dass Quoten als Übergangsregelung gut sind, weil sie einfach Aufmerksamkeit auf das Thema lenken und mehr Verbindlichkeit reinbringen.

Aber was ist, wenn es nicht genügend Frauen gibt?

Dass es nicht genügende geeignete Frauen gibt, hat man auch an den Universitäten immer gehört. Aber ab dem Zeitpunkt, an dem man gesagt hat, 40 Prozent Frauen in die Universitätsräte, hat man sie - oh Wunder - plötzlich gefunden.

Haben Sie selbst eigentlich bewusst eine Führungsposition angestrebt?

Mir ging es nie um Positionen, sondern um Inhalte. In Führungspositionen kam ich, weil ich mich in meinen Themenbereichen gut war und mich nie gescheut habe, mich zu exponieren.

Ihr Konzern steht vor einer großen Übernahme eines Konkurrenten in Kalifornien. Sie erwarten sich dadurch auch Vorteile für Infineon Austria. Brauchen wir mehr „Silicon Valley" in Villach?

Ich war selbst oft in den USA und wir können von den Menschen dort einiges lernen, vor allem die positive Grundeinstellung. Sie beginnen ein Projekt nicht damit, über die vielen Schwierigkeiten zu diskutieren, sondern sehen die Chancen.

Zur Person

Sabine Herlitschka war lange in der Forschung tätig, bevor sie 2011 in den Infineon-Österreich-Vorstand wechselte. Ende März löste sie Monika Kircher als Chefin ab. Der Halbleiter-Konzern hat 3000 Mitarbeiter in Österreich.

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Claus Raidl
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