Merkel ruft – und alle kommen zur Westbalkan-Konferenz

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GERMANY ANGELA MERKEL(c) APA/EPA/JOERG CARSTENSEN (JOERG CARSTENSEN)
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Die deutsche Kanzlerin will EU-Anwärter in Berlin zu Reformen und Kooperation ermutigen. Diese erhoffen sich Finanzhilfe.

Belgrad. Angela Merkel ruft – und fast alle kommen: Nicht weniger als zehn Regierungschefs samt ihren Außen- und Wirtschaftsministern machen sich heute zum ersten Westbalkan-Gipfel nach Berlin auf. In Bosnien und Herzegowina steht nur der ohnehin nicht geladene Dauer-Störenfried Milorad Dodik im selbst gewählten Wahlkampf-Abseits. Die Konferenz solle nur die „Dominanz Deutschlands demonstrieren“, lästert in Banja Luka der Präsident des bosnischen Teilstaats der Republika Srpska: „Was immer dort vereinbart wird, es wird nur von kurzer Dauer sein.“

Berlin dränge den Balkan, „sich auf dem Weg in die EU zu beeilen“, titelte die Belgrader Zeitung „Blic“. Tatsächlich hat Berlin die Konferenz-Premiere initiiert, die Federführung ist aber eng mit Brüssel und den EU-Partnern abgestimmt. Obwohl das Amt des EU-Erweiterungskommissars vor der Auflösung steht, verstehen die Gastgeber den Westbalkan-Gipfel als Signal des Festhaltens an der EU-Erweiterung und der Ermutigung zu einer verstärkten regionalen Kooperation.

Im nächsten Jahr in Salzburg

Die Konferenz, die die ermatteten Anwärter im EU-Wartesaal auch zu beschleunigten Reformen ermutigen soll, ist als feste EU-Einrichtung mit wechselnden Ausrichtern konzipiert: Im nächsten Jahr soll der Westbalkan-Gipfel in Salzburg, 2016 in Frankreich stattfinden.

„Westbalkan“ lautet der eher politische EU-Begriff für Albanien und die Staaten des ehemaligen Jugoslawien, die den Hürdenlauf zum Einlass in die EU noch nicht hinter sich gebracht haben. Aus der Konkursmasse des zerfallenen Jugoslawien hat nach Slowenien (2004) nur Kroatien (2013) den Beitritt zur EU geschafft. Montenegro hat die Beitrittsverhandlungen zwar 2012 begonnen, bisher aber erst zwei von 33 Verhandlungskapiteln abgeschlossen. Für Serbien begann der Verhandlungsmarathon zu Jahresbeginn, mit der Eröffnung der ersten Kapitel ist erst Anfang 2015 zu rechnen – sofern Belgrad das Nachbarschaftsabkommen mit dem Kosovo umsetzt.

„Der Weg in die EU führt über Brüssel“

Schon seit 2005 ist Mazedonien Beitrittskandidat, dreht wegen des ungelösten Namensstreits mit Griechenland aber tatenlos in der Warteschleife. Erst im Juni hat Albanien den Kandidatenstatus erhalten. Wann die Beitrittsverhandlungen mit Tirana beginnen, steht noch in Europas Sternen. Noch Lichtjahre von den EU-Futtertrögen entfernt sind gar der erst 2008 unabhängig gewordene Kosovo sowie der sich selbst blockierende Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina.

Berlin möchte den Schwerpunkt der Konferenz auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit auch in der Region setzen. Die vom anhaltenden Abfluss ausländischen Kapitals geplagten Gäste hegen derweil teilweise recht illusorische Hoffnungen auf einen neuen Investitionsschub aus der EU – und sehen Deutschland dabei als Türöffner. „Wir brauchen mehr deutsche Investitionen“, verkündet mit leichter Verzweiflung Serbiens Premier Aleksandar Vucić. „Der Weg in die EU führt über Berlin“, titelte erwartungsfroh das Belgrader Boulevardblatt „Alo!“.

AUF EINEN BLICK

Westbalkan. Angela Merkel lädt in Berlin heute zu einer Premiere: einer Westbalkan-Konferenz, die 2015 in Salzburg stattfinden soll. Österreich ist bei dem Treffen mit Kanzler Faymann und Außenminister Kurz vertreten. Zu dem Gipfel sind – neben den EU-Mitgliedern Slowenien und Kroatien – jene Länder Südosteuropas geladen, die sich derzeit Hoffnungen auf einen EU-Beitritt machen: Serbien, Albanien, Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Montenegro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

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