Lufthansa: Vierter Streik in fünf Monaten

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Auf dem Flughafen München legen die Piloten von 10.00 bis 18.00 Uhr die Arbeit nieder. Massive Auswirkungen werden befürchtet.

Gut vier Monate nach dem Amtsantritt des neuen Chefs Carsten Spohr türmen sich bei der AUA-Mutter Lufthansa die Probleme. Die für diesen Mittwoch angekündigte, mittlerweile vierte Welle des Pilotenstreiks zeigt, dass die Tarifpartner in einer Sackgasse stecken. Fast schon mechanisch erstellt die Airline einen Notflugplan, bucht die gebeutelten Passagiere auf die Bahn oder spätere Flüge um und kommt im Grundkonflikt keinen Schritt voran. Mit dem weiteren Streik will die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) einen neuen Vertrag zur sogenannten Übergangsversorgung im Vorruhestand für die rund 5.400 Lufthansa-Piloten erreichen.

Lufthansa reagierte mit "völligem Unverständnis" auf die Streikankündigung, wie eine Sprecherin sagte. Der Arbeitskampf treffe erneut unbeteiligte Fluggäste und sei gezielt auf das nahende Ferienende im Bundesland Bayern gerichtet. Lufthansa konzentriere sich nun darauf, die Passagiere bestmöglich zu informieren und zu betreuen.

Zahlreiche Flüge betroffen

Am Münchner Flughafen werden massive Auswirkungen der mittlerweile vierten Welle des Pilotenstreiks erwartet. Im genannten Zeitraum gibt es in München rund 160 Lufthansa-Abflüge, wie eine Sprecherin der Fluggesellschaft in München sagte. Auch zwei Flüge von Wien nach München und zwei von München nach Wien sind betroffen.

Der Flugplan weist Verbindungen zu zahlreichen deutschen und europäischen Flughäfen wie auch zu vereinzelten Überseezielen aus. Auch Starts und Landungen von Lufthansa-Maschinen an anderen Flughäfen könnten von dem Streik betroffen sein. Das Unternehmen arbeite an einem Sonderflugplan, sagte die Sprecherin.

Zuletzt hatten die Piloten vorige Woche am Frankfurter Flughafen in einem sechsstündigen Streik 218 Flüge ausfallen lassen. Vorausgegangen war ein dreitägiger Vollstreik im April und Arbeitsniederlegungen bei der Lufthansa-Tochter Germanwings, deren Piloten ebenfalls unter den Konzerntarifvertrag fallen.

Der Verhandlungsfaden ist nach monatelangen Gesprächen und dem Einsatz eines externen Moderators abgerissen. Der Sprecher der Pilotengewerkschaft VC, Jörg Handwerg, wirft der Lufthansa vor, eine "Blockadehaltung" einzunehmen und auf Zeit zu spielen. Ein kompromissfähiges Angebot stehe weiterhin aus. Die Lufthansa beharrt ihrerseits darauf, dass die Piloten länger im aktiven Dienst bleiben: Verkehrspiloten dürfen seit ein paar Jahren vom Gesetzgeber aus bis zum Alter von 65 Jahren fliegen, das tatsächliche Eintrittsalter in den Vorruhestand liegt aber bei 59 Jahren. Die Airline will es schrittweise auf 61 Jahre erhöhen.

18 ungelöste Streitpunkte

Mit der Kündigung der Übergangszahlungen und der Betriebsrenten für sämtliche Beschäftigte zum Ende des vergangenen Jahres hat sich das Management noch unter dem alten Chef Christoph Franz eine kaum zu bewältigende Aufgabe gestellt. Das Unternehmen rückt nämlich keineswegs nur den gut verdienenden Piloten zu Leibe, sodass sich die Vereinigung Cockpit als Vorkämpfer für andere Beschäftigtengruppen fühlen kann. Nicht weniger als 18 ungelöste Streitpunkte stehen laut VC allein auf der Agenda für die Piloten.

Auch den Flugbegleitern soll ihre im Vergleich zu den Piloten bescheidene Übergangsrente beschnitten werden. Sämtliche Beschäftigte sollen zudem Einbußen bei den Betriebsrenten hinnehmen, die Lufthansa auf feste Zuschüsse umstellen will. Bisher hatte das Unternehmen die noch zu Hochzinszeiten vereinbarten Rentenzahlungen garantiert und damit das Zinsrisiko komplett auf sich genommen.

Die Flugbegleitergewerkschaft UFO hat sich zwar auf einen langfristigen Verhandlungsplan mit der Lufthansa eingelassen, ein Abschluss ist aber ebenso unsicher wie bei der dritten Gewerkschaft ver.di, die vor allem die Techniker im Unternehmen vertritt. Weitere Streiks der anderen Beschäftigtengruppen sind in den kommenden Jahren keinesfalls ausgeschlossen.

Mit ihren bisher beispiellosen Streiks zeigt die VC ein Maß an Entschlossenheit, das der gelernte Pilot und jetzige Firmenlenker Spohr gemeinsam mit seiner Personalchefin Bettina Volkens vielleicht unterschätzt hat. Als nach dem schwachen Geschäftsjahr 2013 eine Dividende an die Aktionäre ausgezahlt wurde, stellte VC-Präsident Ilja Schulz ganz offen die Machtfrage, für wessen Wohl die Lufthansa eigentlich unterwegs sei. "Unsere Übergangsversorgung steht nicht zur Verfügung, um die Renditeansprüche von Aktionären zu bezahlen."

Druck durch Billigflieger

Spohr muss aber liefern, denn trotz eines stolzen Umsatzes von zuletzt 30 Milliarden Euro fliegt Europas größter Luftverkehrskonzern nur mickrige Gewinne ein. Als eine seiner ersten Amtshandlungen musste Spohr die Gewinnziele seines Vorgängers zurückstutzen, was das Vertrauen der Anleger nicht gerade gestärkt hat. Der Druck durch Billigflieger und staatlich gestützte Konkurrenten wie Turkish Airlines oder Emirates wird immer stärker. Sorgen um neue Aschewolken oder die mögliche Sperrung des russischen Luftraums kommen hinzu.

Und Spohrs bisher einzige kommunizierte Perspektividee eines europäischen Billigfliegers Eurowings trifft ebenfalls auf den Widerstand der Piloten. Sie wollen in den Cockpits nur Kollegen dulden, die nach dem Lufthansa-Konzerntarif bezahlt werden. Die für Lufthansa weit günstigeren Gehaltssätze für Kapitäne und Co-Piloten der bereits im Kern bestehenden Eurowings gelten nach ihrer Lesart ausschließlich für kleinere Maschinen, die Spohr aber durch große Airbus A 320 ersetzen will. Weiterer Streit ist also sicher.

(APA/dpa)

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