Schweden: Gewerkschafter verschafft Sozialdemokraten Comeback

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Schwedens Wahlsieger Stefan Löfven arbeitete sich vom Gewerkschaftsführer zum künftigen Premierminister hoch.

Er gilt als Mann des Konsenses, große politische Erfahrung kann er indes nicht vorweisen: Der wahrscheinliche künftige schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven hat sich vom einfachen Industriearbeiter zum Gewerkschaftsführer hochgearbeitet. 2012 wurde er Vorsitzender einer in der Identitätskrise steckenden Sozialdemokratischen Partei Schwedens. Jetzt will der 57-Jährige das Land regieren.

"Ich habe andere wichtige Erfahrungen aus meiner Arbeit in der Industrie und als Chef einer großen Gewerkschaft", beschrieb Löfven seine Qualifikationen für das Regierungsamt. "Und ich bin sehr stolz auf meine Herkunft."

Als Schweißer war um fünf Uhr früh Tagwache

Der 57-Jährige, dessen Nase und Gesicht an einen Boxer denken lassen, stammt aus der Arbeiterklasse. Er hat es gelernt, sich durchzubeißen. Als Kind einer alleinerziehenden Mutter, die nicht für ihn aufkommen konnte, kam er in ein Waisenhaus und später in eine Pflegefamilie in Aadalen. Sein Pflegevater war Fabrikarbeiter. Löfven beschreibt seine Kindheit und Jugend als "wirklich gut". Er habe unter den Umständen "nicht gelitten".

Auf diese Lebensphase und seine 16 Jahre als Arbeiter in einer Waffenschmiede gründet sich sein Image, einer von den "echten Schweden" zu sein, die noch einen "richtigen Job" gemacht haben. Löfven arbeitete als Schweißer in Schichtbestrieb und steht nach Angaben seiner Mitarbeiter seit dieser Zeit noch immer jeden Morgen um 05.00 Uhr auf.

Neues Selbstbewusstsein

Seit seiner Jugend engagierte sich Löfven für die Sozialdemokratie. Als die in Schweden erfolgsverwöhnte Partei nach der herben Wahlniederlage von 2010 und einer von Patzern und peinlichen Medienauftritten ihres damaligen Vorsitzenden Haakan Juholt begleiteten Identitätskrise im Umfragetief steckte, übernahm Löfven die Parteiführung.

Er gab der Partei wieder neues Selbstbewusstsein. "Er ist zwar nicht besonders charismatisch", aber er "strahlt das aus, was man Authentizität nennt", sagt der Politikwissenschaftler Ulf Bjereld. Löfven werde als "glaubwürdig und ehrenhaft wahrgenommen". Für Wähler, die genug von "politischen Spielchen" hätten und mehr "echte Politik" wollten, sei das überzeugend.

Außerdem sei Löfven ein Meister darin, Menschen zusammenzubringen und "Einheit zu stiften", sagt Bjereld. Eine "Gewerkschaftstradition", nennt dies Löfvens Nachfolger an der Metall-Gewerkschaftsspitze, Ulf Lundell. "Das hat er sein ganzes Leben lang trainiert."

Mitunter in der Rolle des "starken Mannes"

Dass Löfven trotz seiner Vorliebe für den Konsens und trotz eines eher risikoscheuen Wahlkampfs auch grob kann, bewies er während einer TV-Debatte: Als Energieministerin Annie Lööf ihm mit lehrerhafter Geste ein Papier zur Energiepolitik an sein Pult bringen wollte, stieß er das Dossier brüsk zurück und kanzekte die Wirtschaftsministerin von der Centrumspartei ab. Der konservative Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt zeigte sich empört: Das seien eben die Manieren der "starken Männer" der Sozialdemokraten.

Bis dahin hatte sich Löfven auch aus Gewerkschaftskreisen Kritik gefallen lassen müssen, er sei zu zahnlos im Wahlkampf. Der Sozialdemokrat "scheut den Konflikt", sagte jemand aus der Gewerkschafts-Dachorganisation LO. Ein anderer meinte maliziös, Löfven sei "ein bisschen feige oder vielleicht sucht er sich die Kämpfe sorgsam aus".

Suche nach bürgerlichem Partner

In möglichen Koalitionsverhandlungen vermutlich mit den Grünen und Linken muss er künftig Führungsstärke und Konfliktfähigkeit zeigen. In der Atompolitik und bei der künftigen Ausgestaltung des unter den Konservativen teilprivatisierten Wohlfahrtssektors liegen die Ansichten deutlich auseinander. Da das Bündnis zudem nicht über die absolute Mehrheit im Parlament verfügt, muss Löfven wohl auch einen Partner aus der abgewählten konservativ-liberalen Koalition ins Boot holen. Da ist gleich der Einheitsstifter gefragt.

(APA/AFP)

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