Straßennamen: Roland-Rainer-Platz historisch belastet

(c) Pichler
  • Drucken

Historiker sehen einen Diskussionsbedarf wegen der NS-Vergangenheit des Stadthallen-Architekten.

Wien. Seit 2006 trägt der Platz vor der Wiener Stadthalle seinen Namen, seit April ist auch die von ihm errichtete Halle offiziell unter der Postadresse Roland-Rainer-Platz 1 zu finden. Doch Historiker melden Bedenken an. Die Benennung des Platzes sei diskussionswürdig. Schließlich habe der 2004 verstorbene Architekt in seinen Schriften unter anderem Zusammenhänge zwischen „Rasse und Wohnform“ untersucht und sich dabei auch biologistisch-rassistischer Diktion bedient. Abgesehen davon habe Rainer, damals wohnhaft in Berlin, im August 1938 um Aufnahme in die NSDAP angesucht – und wurde auch aufgenommen.

159 Wiener Straßennamen sieht eine Historikerkommission um Oliver Rathkolb als umstritten an. Das Team untersuchte im Auftrag der Stadt Wien 6696 Verkehrsflächen – 4249 von ihnen sind nach Personen benannt – auf dunkle Flecken. Der im Zuge dessen erstellte Bericht, der im Juli 2013 vorgestellt wurde, ist nun in einer ergänzten Fassung als Buch erschienen. In 15 Kapiteln, von Architektur und Geistlichkeit über Politik und Sport bis zu Sonderfällen werden umstrittene Benennungen dokumentiert. Im Fokus steht etwa Radprofi Ferry Dusika, nach dem eine Gasse in der Donaustadt benannt ist.

Von Arisierung profitiert

Er, so haben die Historiker herausgefunden, habe 1939 von der Arisierung jüdischer Geschäfte profitiert – ihm wurde ein Fahrradgeschäft übergeben. Auch stellte die NSDAP ihm ein politisches Zeugnis aus und bestätigte, dass er NSDAP-Mitglied und SA-Oberscharführer sei. Auch Autokonstrukteur Ferdinand Porsche, nach dem eine Straße in Liesing gewidmet ist, hat unter den Nazis eine steile Karriere gemacht – von NSDAP-Mitglied bis zum Rang des SS-Oberführers mit Totenkopfring. Kandidaten für eine Umbenennung gebe es laut Rathkolb noch genügend. Zuständig dafür sind die Bezirke, von einigen habe die Kommission auch schon Anfragen erhalten.

Dabei geht es aber nicht unbedingt um die Umbenennung – vor allem sehen es die Historiker als wichtig an, die Geschichte hinter den Namen aufzuarbeiten. Und dort, wo es notwendig sei, könne man auch mit erklärenden Zusatztafeln arbeiten. Schließlich wüssten viele Anrainer nicht, nach wem die Straße, in der sie wohnen, benannt ist. In den vergangenen Jahren hat die Stadt bereits mehrere solcher Tafeln angebracht. Auch einige Umbenennungen hat es gegeben – die prominenteste dabei ist der ehemalige Dr.-Karl-Lueger-Ring, der seit 2012 Universitätsring heißt.

Dass gerade der Roland-Rainer-Platz nun im Mittelpunkt des Interesses steht, liegt unter anderem daran, dass im Mai 2015 in der Wiener Stadthalle der Songcontest stattfindet und eine fragwürdige Benennung international für negative Schlagzeilen sorgen könnte. Aus dem Büro des zuständigen Kulturstadtrats, Andreas Mailath-Pokorny, heißt es, die Vorwürfe aus dem Buch stimmten, Rainers architektonische Leistung sei aber auch unbestritten. Man müsse sich gemeinsam mit Experten und Bezirken anschauen, wie man damit umgehen soll.

Das Buch wird am Montag, dem 29.September, 18.30 Uhr, im Theatermuseum Wien (1., Lobkowitzplatz 2) offiziell präsentiert. (eko.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der Dr.-Karl-Lueger-Ring wurde bereits vor zwei Jahren umbenannt.
Wien

Wien: "Genügend" umstrittene Straßennamen

160 Wiener Straßennamen beziehen sich auf umstrittene Persönlichkeiten der Geschichte. Ein Buch listet nun die Fälle mit "Diskussionsbedarf" auf.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.