Ungarn: Banken sollen noch einmal 3,2 Mrd. Euro zahlen

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Die ungarische Regierung verschärft die Gangart gegenüber den Banken. Österreichs Institute sind mit 600 Millionen Euro betroffen.

Wien/Budapest. Für Österreichs Banken gibt es die nächste Hiobsbotschaft aus Ungarn: Premierminister Viktor Orbán kündigte am gestrigen Freitag im Radio ein neues Gesetz an, das den Banken weitere Zusatzkosten bescheren soll. Orban beauftragte das Justizministerium, bis Ende Oktober einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

Laut Regierungskreisen ist geplant, dass im nächsten Jahr in Ungarn alle Bankkunden ihre noch verbliebenen Fremdwährungskredite zu einem günstigeren Wechselkurs in die Landeswährung Forint umtauschen können. In Summe könnte das die Banken bis zu drei Milliarden Euro kosten.

Doch das ist längst nicht alles. Am Mittwochabend beschloss das Parlament in Budapest die Durchführungsregeln für ein neues Kreditgesetz. Demnach werden die Banken verpflichtet, Kunden mit Fremdwährungskrediten für Währungsschwankungen zu entschädigen. Orbán erklärte im Parlament, die Banken seien „kapitalstark“. Ihre Eigentümer müssten das notwendige Geld aufbringen.

Einem APA-Bericht zufolge warf Justizminister László Trócsányi den Banken in der Parlamentsdebatte „unehrenhaftes Verhalten“ vor. Das Gesetz hilft 1,3 Millionen Bankkunden. Sie sollen um 25 bis 30 Prozent ihrer Schulden entlastet werden. Laut Analystenschätzungen müssen alle ungarischen Banken mit Zusatzbelastungen von 3,2 Milliarden Euro rechnen.

„Interesse des Gemeinwohls“

Laut Orbán werden die Banken zur „Rechenschaft“ gezogen. Dies sei im „Interesse des Gemeinwohls“ und eines „gerechteren Lebens“. Die Banken müssten zu mehr Fairness gezwungen werden.

Das neue Gesetz war ein Grund, warum die Raiffeisen Bank International diese Woche eine Gewinnwarnung veröffentlicht hat. Raiffeisen geht davon aus, rund 240 Millionen Euro an die ungarischen Kunden zurückzahlen zu müssen. Die Erste Bank hatte die Kosten ursprünglich mit 300 Millionen Euro für das gesamte Jahr beziffert. Ende Juli erklärte die Bank, dass die Belastungen um bis zu 20 Prozent steigen könnten. Und das dürfte nun passieren. Die Bank erwartet für heuer in Ungarn Sonderkosten von bis zu 360 Millionen Euro.

Strategie von Orbán ist es, die Banken in mehreren Schritten zur Kasse zu bitten. Bereits in der Vergangenheit verabschiedete das Parlament in Budapest zahlreiche Gesetze gegen die Banken.

Die Erste Bank hat in den vergangenen Jahren in Ungarn 746 Millionen Euro verloren. In diesem Betrag ist bereits die Belastung für das erste Halbjahr 2014 enthalten. Bei der Raiffeisen Bank International summiert sich das Minus auf 690 Millionen Euro.

In keinem osteuropäischen Land haben die Banken so viele Fremdwährungskredite vergeben wie in Ungarn. Nun hängt alles davon ab, ob Orbán seine am Freitag gemachte Ankündigung umsetzen wird, wonach 2015 schon das nächste Gesetz in Kraft treten wird. Damit droht den Banken im nächsten Jahr wieder eine Belastungswelle. Trotz der Hiobsbotschaften wollen Österreichs Banken in Ungarn bleiben.

Rückzug nur mit Verlusten

Budapester Medienberichten zufolge soll der ungarische Staat bereit sein, Raiffeisen und der Erste Bank die Budapester Töchter abzukaufen. Erst im Sommer zog sich die Bayerische Landesbank aus dem osteuropäischen Land zurück. Ungarn zahlte den Bayern 55 Millionen Euro, gleichzeitig musste die BayernLB aber auf Forderungen von 270 Millionen Euro verzichten. In Summe setzten die Bayern in Ungarn zwei Milliarden Euro in den Sand. „Presse“-Informationen zufolge könnten sich Raiffeisen und Erste Bank auch nur mit Verlusten aus Ungarn zurückziehen. Somit halten sie an ihren Budapester Töchtern fest.

AUF EINEN BLICK

In keinem osteuropäischen Landhaben Österreichs Banken so viele Probleme wie in Ungarn. Premierminister Viktor Orbán bittet die Institute in mehreren Schritten zur Kasse. Die Chefs der Großbanken beschwerten sich bei der EU-Kommission. Doch das war wirkungslos. Denn die Partei des ungarischen Premierministers ist Mitglied der Europäischen Volkspartei. In Österreich haben Vertreter der ÖVP immer wieder den Kurs von Orbán verteidigt. Daher bleibt den Banken nichts anders übrig, als zu zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2014)

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